BELARUSSLAND
FREUNDSCHAFT, BANJA UND BIRKEN, HEIDELBEEREN UND EIN WENIG DIKTATUR
Wisente

Der größten Wisentpopulation Europas begegneten wir zwar nicht. Doch manchmal schien mir der belarussische Stolz ebenso dickköpfig wie der des größten, in den 1920 Jahren noch vom Aussterben bedrohten, Säugetiers.

Heute befindet sich die größte Population im Bialowieza-Nationalpark im polnisch-belarussischen Grenzgebiet.

Presselandschaft

Die Presselandschaft wird stark von den staatlich Organen beeinflusst. Oppositionszeitschriften tendieren gegen Null. Allerdings ist, bis auf einige Ausnahmen, das Internet frei zugänglich und nicht, wie beispielsweise in China, gesperrt.

За дружба, За правда

„Komm doch mit nach Belarussland“ versuchte mich mein belgischer Freund Lieven bereits im letzten Jahr zu überzeugen. Doch der Krieg in der benachbarten Ukraine ließ mich zögern; zu unsicher schien mir die Lage und die Entwicklungen zu jener Zeit. Doch ich gab Lieven mein Wort, sobald wie möglich die Republik zu besuchen, in der ich ganz plötzlich mehr Gemeinsamkeiten entdecken sollte ich es je gedacht hatte. Und so ist diese Reportage keine touristische Angelegenheit und auch nicht ohne persönliche Hingabe möglich.

In den ersten Frühlingstagen erinnerte mich Lieven an mein Versprechen, ihn nach Weißrussland zu begleiten. Immer noch skeptisch hielt ich mein Wort. Weissrussland mit seinen zahllosen Seen, den endlosen Birken- und Kieferwäldern, der größten Wisentpopulation Europas, Bären und unzähligen Störchen, Natur pur, welches heute auf wenigen Reisekarten verzeichnet ist. Doch unsere Reise sollte nicht nur einige touristische Punkte abhaken, sondern auch in die weißrussische Seele eintauchen.

Wir, das waren Lieven und unsere weißrussische Gastgeberin Tanja, flogen mit einem der bekannten Billigflieger nach Vilnius wo uns bereits Tanjas Cousine Tanja erwartete. Tanja und Tanja brachten uns in den folgenden Tagen Land und Leute näher. Der Grenzübergang gestaltete sich aufgrund der Wochenendeinkäufe langwierig, letztlich jedoch unkompliziert. Allein das wir uns einige Tage später bei der Minsker Polizei melden mussten, erinnerte mich an frühsozialistische Eigenwilligkeiten.

Weißrussland wurde für mich eine meiner persönlichsten Reisen. Aufgewachsen und sozialisiert im Land der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, mit Subotnik, Pawel Kortschagin und Arkardi Gaidar empfand ich die Offenheit und Gastfreundschaft unserer belarussischen Gastgeber mehr denn je erfrischend und wohltuend. An den Ufern des von zahlreichen Seen gezeichneten Nationalparks "Braslauskije Osjora" stießen wir mehrfach auf die deutsch-belgisch-weißrussische Gastfreundschaft an, ließen uns Schaschlik, Fischsuppe und Bier schmecken und begründeten neue Freundschaften. Nur den Wodka kosteten wir in jenen warmen Sommertagen nicht gemeinsam. Einem abkühlenden Regenschauer verdankten wir die Versuchung der russischen Banja im Sommer. Tanjas Mann Pjotr, der uns auf der Reise begleitete, bereitete es sichtbares Vergnügen, uns in die Eigenheiten der russischen Sauna einzuweisen. Zur Plage wurden an den Abenden nur die weißrussischen Mücken, welche die Gastfreundschaft schamlos ausnutzten.

„Die letzte Diktatur Europas“, wie Weißrussland von der ehemaligen US-amerikanischen Außenministerin Condoleeza Rice einst genannt wurde, befindet sich im Umbruch. „Heutzutage ist Belarus ein wunderbares Land, das einzigartige Züge der eigenartigen Kultur und der uralten Traditionen zusammen mit der Moderne der Gegenwart harmonisch aufbewahrt hat und sogar die leidenschaftlichsten Reisenden zum Staunen bringt.“ Während Präsident Aljaksandr Lukaschenka länger als Helmut Kohl in Deutschland und  Leonid Breschnew in der UdSSR die politische Richtung des Landes bestimmt, und die Vielzahl demokratischer Defizite und ein autoritärer Regierungsstils aus westlicher Perspektive kritisiert wird, zeichnen Smartphones, Skype, Facebook und ein offenes Internet ein anderes Bild. Vielleicht mag es auch daran liegen , dass seit den Vermittlungen Lukaschenkos zwischen der Ukraine und Russland im vergangenen Jahr das osteuropäische Land plötzlich im Fokus der Weltpolitik steht. Das systemkritische Äußerungen weiterhin unerwünscht sind, erinnert indessen an die Jahre der DDR. Doch die Reisefreiheit ist, im Gegensatz zu anderen postkommunistischen Ländern, nicht eingeschränkt. Somit stehen den zumeist gut ausgebildeten Akademiker auch die Tore der westlichen Marktwirtschaft offen, was gleichzeitig den Exodus der ländlichen Gebiete und den Verlust zahlloser Arbeitskräfte auf dem weißrussisch-staatlichen Arbeitsmarkt bedeutet.

Wir kamen zumeist in privaten Unterkünften unter. Trotz aller Schlichtheit und abgesehen vom Massenexodus der Dörfer, die sich auch im deutschen Osten wiederfanden, fielen mir besonders die  farbenfrohen und gepflegten Grundstücke auf. Müßiggang konnten sich die Bauern in der „letzten Diktatur Europas“ offensichtlich nicht leisten.

Reisen in Weißrussland bedeutet viel Improvisationskunst und neugierige Blicke. Uns war es recht, waren wir doch nicht auf das übliche Sightseeing aus, sondern wollten Land und Leute ungeschminkt kennenlernen. So wie Tanjas Großvater, der mit seinen 92 Jahren den heute noch allgegenwärtigen Zweiten Weltkrieg erlebt hatte und uns bereitwillig von den Jahren der Bombardierung, den Verhaftungswellen und Zwangsarbeiten berichtete. Weißrussland nahm immer wieder eine besondere Stellung in den Kriegen ein. Die frühen Erzählungen meines Großvaters, der es gesund an Leib und Seele durch Sowjetrussland und die Kriegsjahre geschafft hatte, bestätigten trotz allen Leids vielfache Offenheit und Gastfreundschaft der Weißrussen. „Быстро, быстро, руки вверх! Schnell, schnell, Hände hoch!“ gehörte zum überlebensnotwendigen Sprachwortschatz in jenen Jahren. In der Generation der Enkelkinder kam „за дружба! Auf die Freundschaft!“ hinzu.

Minsk mit seinen zwei Millionen Einwohnern, den breiten Prachboulevards, den Gebäuden Stalinistischen Baustils und den zahhlosen Plattenbauten ware das ernüchternde Kontrastprogramm zu Braslav. Während uns Tanjas Tante mit Pelmeni und Heidelbeeren verwöhnte, nutzten wir Google um Sprachbarrieren zu übergehen und Urlaubsbilder und Campari für das persönliche Näherkommen. Der Abstecher zu den Minsker Traktorenwerken war ebenso kurz wie von seiner großen Vergangenheit geprägt. Beim Fotografieren wurden wir immer wieder argwöhnisch und als vermeintliche Inspektoren beobachtet. Touristen mit Fotoapparat sind trotz Smartphone-Zeitalter eben doch eine weißrussische Seltenheit.

In jenen weißrussischen Tagen ließen „Пусть всегда будет солнце“ („Immer lebe die Sonne“) und „Ну заяц, ну погоди!“ („Nun Hase, na warte!“) mit belgischer Schokolade die anfängliche Verschlossenheit bald einer Herzlichkeit weichen, die man in Deutschland lange sucht. Wir tauschten uns in einem herzhaften deutsch-niederländisch-russisch-englischem Kauderwelsch aus, schlossen neue Freundschaften und luden uns gegenseitig ein.

„Berühren Sie die jungfräuliche Natur, hören Sie sich Melodik der belarussischen Sprache an und fühlen Sie grenzenlose Gastfreundschaft der friedliebenden Belarussen. Und Sie werden bestimmt Lust haben, hierher immer wieder zurückzukommen.“

Пусть всегда будет солнце

Солнечный круг,
Небо вокруг --
Это рисунок мальчишки.
Нарисовалонналистке
подписал в уголке:

Пусть всегда будет солнце!
Пусть всегда будет небо!
Пусть всегда будет мама!
Пусть всегда буду я!

Милый мой друг,
Добрый мой друг,
Людям так хочется мира.
И в тридцатьпятьсердцеопять
Не устаёт повторять:

Пусть всегда будет солнце!…

Тише солдат,
Слышишь, солдат!
Люди пугаются взрывов.
Тысячи глаз в небо глядят,
Губы упрямо твердят:

Пусть всегда будет солнце!...

Против беды,
Противвойны
Встанем за наших мальчишек.
Солнце навек! Счастье навек! --
Так повелел человек.

Пусть всегда будет солнце!...