Ulrich Plenzdorf/ Rüdiger Dammann - Ein Land genannt die DDR
S.Fischer Verlag

ISBN 3-10-009645-2

Die kleinen Wahrheiten eines vergangenen Staates
Ein Land genannt die DDR

Seit den Jahren der Wende wurden viele Bücher über die DDR geschrieben und verlegt. Es waren viele Rechtfertigungspamphlete dabei, Charakterstudien und wissenschaftliche Arbeiten. Auf jeden Fall gab es viele Schmähschriften oder trotzige Ostalgieschwarten. Sicher waren auch einige Bücher dabei, die es verdienen, öfter gelesen zu werden. „Ein Land genannt die DDR“ gehört dazu. „Die DDR ist immer noch lebendig, trotz aller Versuche, sie zum Verschwinden zu bringen: Sie ist präsent als Lebensgeschichte von Millionen von Menschen.“

Das im S.Fischer Verlag erschienene Buch, das sich mit den „kleinen Wahrheiten“ eines gewesenen Staates auseinandersetzt, setzt einen warmen Klecks in eine unüberschaubare Literaturauswahl. So fängt die Ehrlichkeit dieses Buches bereits bei der Frage an, wann die „Wende“ überhaupt ihren Anfang nahm. Begann sie bereits mit den Aufständen vom 17.Juni 1953 oder sorgte Günter Schabowski mit seiner versehentlich geöffneten Grenzöffnung für „die Wende“? Glücklicherweise erwarten den Leser keinen kühlen Statistiken oder das ganze Gegenteil. Denn nichts wäre schlimmer als Lobhudelei oder Resignation. Nichts ist näher an der Wirklichkeit, als persönliche Schicksale.

Vielschichtig, vielgestaltig, komplex oder einfach. Mehr als 40 Jahre im Osten. Wie es war in der DDR zu leben, zu lieben und zu arbeiten? Von Anfang und Ende der Deutschen Demokratischen Republik und dem Leben dazwischen erzählen die Autoren des Buches. Alle sind Kinder eines Landes, welches der erste demokratische Staat der Arbeit und Bauern auf deutschem Boden sein wollte. Nur einer kam aus dem Westen und so eröffnet der Autor Claus Leggewie mit seiner Sicht der Dinge. Er schreibt über die schwierigen Anfänge nach dem Krieg und verknüpft Eckdaten deutscher Geschichte mit seinen eigenen persönlichen Erlebnissen.

Von nun an durchziehen auch praktischerweise kleine Erklärungsblöcke das Buch. Was ADN, Spur der Steine oder ein Held der Arbeit war, wird Nicht eingeweihten, Vergessern und Ignoranten unaufdringlich erklärt. Die „kleinen Wahrheiten“ sind immer mit persönlichen Wahrheiten verbunden.

Holde-Barbara Ulrich, die ehemalige Journalistin des ADN gibt einiges von ihrer Wahrheit preis. Die studierte Afrikanistin beschreibt ihren Berufsweg in der Republik, die für die Gleichheit der Frau stand. Die „musikalische, politisch zuverlässige Genossin und Kollegin“ schwankt – in selbst eingestandener privilegierter Stellung – an den Grenzen. „Wäre ich ein Mann, könnte ich vielleicht Auslandskorrespondent werden. … Ich bin unverheiratet und vogelfrei. „Ein gefundenes Fressen für den Klassenfein.“ Als dieser Satz in einem so genannten Kadergespräch fällt, ist mein Schicksal besiegelt.“

Erich Loest, der wegen „konterrevolutionärer Gruppenbildung“ siebeneinhalb Jahre im Zuchthaus saß und auf die achtzig zugeht, möchte „Haus, Hof und Schuppen“ aufräumen. Von Anfang an von seinem Freund Walter im Namen der Firma überwacht, lässt er das Erlebte Revue passieren.

Daniela Dahn, die Journalistik in Leipzig studiert hat und Gründungsmitglied des „Demokratischen Aufbruchs“ war, widerlegt die „Legende vom faulen Ossi“.

Den Herausgebern ist ein Buch gelungen, dass sich nicht nur zu lesen lohnt, sondern das es zu lesen gilt. „Die Wahrheit wurde von Millionen Menschen täglich gelebt. Sie ist vielschichtig und vielgestaltig, sie ist nicht immer schön – und sie wird offenbar bis heute vergeblich gesucht.“