Hans-Henning Gerlach - Karl May Atlas
Karl May Verlag

ISBN: 3-7802-0150-X

Vom wilden Kurdistan über Bagdad nach Stambul zum Schatz im Silbersee

Karl May Atlas

“O herrlicher sächsischer Lügenbold, gepriesen sei dein vielgeschmähter Name! Dank dir, du genialer Spinner aus Hohenstein-Ernstthal, dank dir für tausendundeine Nacht voller Pulverdampf und Hufedonnern. Heißen Dank für Äquatorsonne und Präriewind und Wüstensand und Steppengras, für Shatterhand und Hadschi, für Winnetou und Geierschnabel, ungeschmälerten Dank dafür, was immer sie dir auch nachsagen.“ schrieb Hermann Kant 1964 über Karl May.

85 Jahre nach dem Tod Karls Mays erschien im gleichnamigen Verlag 1997 der „Karl-May-Atlas“. In der Pressemitteilung zum umfangreichen Nachschlagewerk ist unter anderem folgendes zu lesen: „Der Karl-May-Atlas ist die ideale Ergänzung zu den Gesammelten Werken, um die Reisewege von Karl Mays Helden durch alle Länder und Erdteile zu verfolgen.“ Doch stellt sich inzwischen die Frage, wer in Zeiten von iPod, Gamecube und Harry Potter noch an den Indianergeschichten des viel umstrittenen sächsischen Erzählers interessiert ist? Was ist so spannend an den Abenteuern von Old Shatterhand und Winnteou, dem berühmtesten, jedoch fiktiven Vertreter der amerikanischen „First Nation“? Wieso fasziniert der ewig zitierte Hadschi Halef Omar noch heute? Wahrscheinlich schmilzt die Fangemeinde Karl Mays von Jahr zu Jahr. Doch selbst am Beginn des 21.Jahrhunderts sind Winnetou und Old Shatterhand weltbekannt. Untrennbar ist ihr sächsischer Erzeuger noch heute mit ihnen und dem Ideal ehrlicher Freundschaft verbunden. Schulische Belehrungen und heiße Diskussionsabende wirken oft ziemlich moralinsauer und verfehlen ihre Wirkung bei weitem. Wie wunderbar abenteuerlich und feiner psychologischer Tiefenwirkung inklusive reitet es sich dagegen „durch das wilde Kurdistan“ oder an der Seite des „blauroten Methusalem“.

Hans-Henning Gerlach gelingt es mit seinem Karl-May-Atlas, anschaulich und wunderbar detailliert den Spuren Kara Ben Nemsis durch die Schluchten des Balkans zu folgen oder die Felsenburg aus dem Zyklus „Satan und Ischariot“ zu finden. Kein markanter Punkt aus Mays Gesamtwerk fehlt. Gerlach folgt selbst den Spuren May’s in dessen Werk „Et in Terra pax“ – „Und Friede auf Erden“. Es ist das erste Werk des Sachsen, welches seinen literarischen Bruch kennzeichnet. Die Spätwerke Karl Mays spalten seine Fangemeinde. Den anspruchsvollen religiös-philosophischen Gedankenspielen von „Ardistan und Dschinnistan“ sowie „Im Reich des silbernen Löwen“ ist schwer zu folgen. So können auch nur einzelne Seiten des Atlas’ interpretiert werden, die die Spätwerke grafisch erklären sollen. Neben einer Fülle von Materialien zu Karl Mays Reiseerzählungen, bietet das Werk „auch weiterführende wissenswerte Informationen über die Geschichte der Indianer, die Lebensräume und Reservate der verschiedenen Stämme sowie über das Osmanische Reich, dessen einstigen Ausdehnungsbereich und historischen Werdegang zum Ende des 19.Jahrhunderts.“Vor dem Hintergrund heutiger militärischer Auseinandersetzungen und Gebietsänderungen erscheint Gerlach’s Atlas im Jahre 2006 nicht nur im Abenteuerlichlicht von „Menschenjägern“ und „Sklavenkarawane“. Ein zerstörerisches Jahrhundert nach ihrem ersten Zusammentreffen und jüngsten, ethnisch begründeten und fanatisch geführten Kriegen und Anschlägen wirkt die Blutsbrüderschaft von Winnetou und Old Shatterhand mahnender und realistischer denn je.