Volker Koop - Das Recht der Sieger
Verlag be.bra

ISBN: 3-89809-49-3

Absurde, alliierte Befehle im Nachkriegsdeutschland

Das Recht der Sieger

An einer Sache gibt es immer zwei Seiten. Die ehrlichste Betrachtung dabei ist die Objektivität. 60 Jahre nach dem Kriegsende erschien im Verlag be.bra ein Buch, dass eine groteske Seite im Nachkriegsdeutschland beleucht. Jenseits der großen Linie, mit der die Siegermächte in ihren Besatzungszonen herrschten, gab es Freiräume, deren Verlockungen so mancher Militärkommandant erlag. Neben notwendigen Anordnungen gab es daher auch zahlreiche unsinnige. „Halte Dein Mitleid zurück! Wir dürfen den Deutschen nicht glauben. Sie sind Meister in der Propaganda geworden.“ steht in einer Broschüre der amerikanischen Militärverwaltung in Deutschland, 1946.

Im Jahr 2004, fast 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, ist im be.bra Verlag ein Buch über „absurde alliierte Befehle im Nachkriegsdeutschland “ erschienen. „Wie ist in einem militärisch besiegten Land vorzugehen?“ Die Frage scheint aktueller denn je zu sein. So stellt der Verlag ernüchternd fest, das es den Siegern nicht erst in 2004 im Irak schwer fällt, unter den „Befreiten“ zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Wie muss mit der Zivilbevölkerung umgegangen werden? Was ist Recht und was ist richtig? „In der Stunde Null des Jahres 1945 war es die deutsche Gesellschaft, die wieder in geordnete rechtliche Verhältnisse überführt werden sollte. Die Bevölkerung sollte nach Kriegsende politisch umerzogen werden. Doch damit allein begnügten sich die Befreier oft nicht: Eingriffe ins alltägliche Leben waren an der Tagesordnung. Die Menschen in der sowjetischen Besatzungszone Berlins hatten plötzlich nach Moskauer Ortszeit aufzustehen und zu arbeiten. In der französischen Zone durften Deutsche in der Straßenbahn nur noch die hinteren Eingangstüren benutzen.

Amerikaner ließen Stadträte aus „erzieherischen“ Gründen mit bloßen Händen Leichen umbetten.“ Der Autor Volker Koop, ehemaliger Sprecher im Bundesministerium für Verteidigung, legt ein Buch vor, welches eine bisher unbeleuchtete Seite deutscher Nachkriegsgeschichte erhellt. Die auftretende Frage nach der Rechtmäßigkeit und Brisanz einer solchen Publikation beantwortet Koop jedoch folgerichtig in seinem Vorwort: „Die Frage nach der Kriegsschuld wurde und wird von niemandem ernsthaft diskutiert: Nach dem Überfall auf Polen hatte Deutschland einen bis dahin beispiellosen Eroberungs - und Vernichtungskrieg geführt …“. Dem Autor gelingt es, die Absurditäten einer Phase zu beschreiben, in der die Alliierten einen rechtsfreien Raum betraten und – teils brachial – besetzten. „Die Siegermächte … standen vor der Aufgabe, im Land der Besiegten eine neue Rechtsordnung zu installieren.“ Doch war es leider wie so oft, dass „Otto Normalverbraucher“ von den Befehlen und Anordnungen betroffen und im täglichen Überlebenskampf eingeschränkt wurde. Der Schwarzmarkt beispielsweise blühte entgegen oder gerade wegen der Verordnungen im deutschen Nachkriegsfrühling auf.

Einerseits gaben die Franzosen, wohl in Gedenken des letzten Krieges, ein „Flugverbot für Brieftauben“ heraus, andererseits fiel der deutsche Beamte schnell wieder in seine „alte Weise“ ein. So sah sich das Innenministerium des Landes Baden gezwungen, in einer Anweisung vom 11.März 1947 seinen Landesbeamten die Leviten zu lesen: „... Man beklagt sich darüber, dass gewisse Beamte in der alten Weise fortfahren zu befehlen, ohne sich klar zu machen, dass der Beamte im Dienste des Volkes steht und man Zuvorkommenheit, freundliche Hilfe und ein gesundes Einfühlvermögen zu erwarten berechtigt ist …“. „Am Beispiel der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte lässt sich exemplarisch die schmerzhafte Wandlung der Sieger zu Besatzern und Beschützern nachvollziehen. Wenn sich auch mit Kriegsende die Teilung in eine westliche und östliche Einflusssphäre abzeichnete und es bedeutende Abstufungen zwischen Sowjets, Franzosen, Amerikaner, Engländern gab: Absurdistan war überall.“

Volker Koop gelingt eine aufschlussreiche Aufarbeitung jüngerer deutscher Geschichte, welche trotz ihrer Aktualität auch ohne einen moralischen Zeigefinger auskommt. „Der Deutsche kennt alle Lügen auswendig. Seine Kanonen und Panzer kann man ihm wegnehmen, aber diese nicht. … Dies ist eine der Waffen, die ihnen blieb, und gewissermaßen ist es auch die gefährlichste Waffe. Vergiss nicht, Deutschland ist noch immer Feindesland.“