56. Internationale Filmfestspiele
BERICHT VON EINER SEHR POLITISCHEN BERLINALE

Berlinale, Berlinale. Nach zehn Tagen ging an der Spree der jährliche Filmmarathon am vergangenen Sonntag zu Ende. Die letzten Festivalfilme wurden am „Kinotag“ gezeigt, die Zuschauer hatten applaudiert, die Jury bereits am Samstag entschieden. Nun stehen die Sieger der 56.Internationalen Filmfestspiele statt. Doch im Grunde genommen verdienen alle Beiträge zumindest eine Anerkennung. Aber auch die Journalisten und Besucher, die sich in den Marathon stürzten. Die 56.Berlinale unterschied sich wesentlich von ihren Vorgängerinnen. Nicht nur waren die Filme politischer und realitätsnaher; auch das Interesse der Fachbesucher wie auch des Publikums war größer denn je. Mehr als 19.000 Akkreditierte aus 120 Ländern, darunter 3.800 Journalisten, kamen zum Festival. Zudem strömten über 150.000 begeisterte Zuschauer in die Berlinale-Kinos, in denen in rund 1.115 Vorführungen 360 Filme gezeigt wurden.

Es ist die Magie des Films im kühlen Februar, die Tage des Glamours und der Stars an der Spree und die Faszination, dies alles mitzuerleben. Festival-Direktor Dieter Kosslick, der sich „über die gute Stimmung dieser Berlinale“ freute, war auch sichtlich glücklich, dass (fast) alles Stars seiner Einladung gefolgt waren. Unter ihnen sorgten George Clooney, Natalie Portmann, Meryl Streep, Sigourney Weaver und das französische Dreamteam Claude Chabrol und Isabelle Hubbert für internationale Aufmerksamkeit. Besonders stark vertreten waren deutsche Filme und ihre mehr oder weniger bekannten Stars. Doch bevor ich im Kino mit den Internationalen Jury-Mitgliedern Charlotte Rampling und Armin Müller-Stahl „L’ivresse du pouvoir“ – „Geheime Staatsaffären“ von Claude Chabrol anschauen, den European Film Market bewerten und auf der Pressekonferenz Vin Diesel zu seinem Wechsel ins schauspielerische Charakterfach befragen konnte, musste ich wie alle anderen Journalisten einen kleinen Akkreditierungsparcours absolvieren. Es war nicht ganz einfach, seinen Tagesablauf zu organisieren, die interessanten Momente der Berlinale aufzufangen, eine Nasenlänge schneller zu sein und einfach Glück zu haben mit den zufälligen Begegnungen auf dem Filmfestival. Trotz kleiner Anlaufschwierigkeiten gelang es mir jedoch, meinen Tagesablauf einzurichten. Während das ZDF im Morgenmagazin die Zusammenfassung des vergangenen Tages ausstrahlte oder live vom roten Teppich mit Schauspielern und Filmemachern über ihre neuen Projekte berichtete, schaute ich hinter die Kulissen.

Im Martin-Gropius -Bau feierte der European Film Market einen, nach Aussage der Betreiber, gelungenen Start im neuen Domizil. Über 250 teilnehmende Firmen aus dem In- und Ausland handelten, bewerteten und kauften rund 650 Filme und hoben den EFM zu neuer Größe und Bedeutung. Die starke Präsenz deutscher Filme auf der diesjährigen Berlinale, insgesamt 55 Stück, führten Branchenkenner auf die richtigen Schritte der vergangenen Jahre zurück, die im Bereich der Filmförderung erfolgten. Besonders Jürgen Vogels Vergewaltiger in „Der freie Wille“ sorgte für starkes Interesse. Ebenso das Familiendrama „Vier Fenster“ und der Wettbewerbsfilm „Requiem“. Sandra Hüller erhielt den Silbernen Bären für Ihre Darstellung der Studentin Michaela, die sich von Dämonen verfolgt sieht. Für seinen Lehrer Bruno in „Elementarteilchen“ erhielt Moritz Bleibtreu den Silbernen Bären als bester Darsteller. Kino für jeden Geschmack. Insgesamt 20 Wettbewerbsfilme stritten um den Goldenen Bären, den letztlich „Grbavica“ von Jasmila Zbanic erhielt. Ihr Spielfilmdebüt widmete die bosnische Filmemacherin dem Trauma des Krieges und den Nachwirkungen in ihrem Heimatland in den 1990er Jahren. Von besonderer Intensität bleibt für mich der Drogenfilm „Candy“, australischer Beitrag im Wettbewerb mit Heath Ledger und Abbie Cornish. Für besondere Furore sorgte Michael Winterbottoms "Road to Guantanamo", die auch während der Filmfestspiele für politischen Zündstoff sorgte und an der UNO vorbeiführte. Ein Wechselbad der Gefühle am Potsdamer Platz. Politisch, unbändig, provozierend und manchmal mit einer melancholischen Heiterkeit kommen die Beiträge daher. Panorama, Perspektive Deutsches Kino, Forum und Kinderfilmfest, 14plus sorgten für ein gesundes und wohltuendes Maß an Koordination und Einteilung im Filmeüberfluss. „Traumfrauen. Stars im Film der fünfziger Jahre“ ließen in der Retrospektive die Nymphen (Brigitte Bardot), Romantikerin (Audrey Hepburn) und Mondänen (Ava Gardner, Lana Turner) auferstehen. Der Teddy-Award für den besten Homo-Film feierte seinen 20.Geburtstag. Berlinale, anstrengendes und aufregendes Glanzlicht an der Spree. Eine Faszination, deren sportlicher Charakter und glitzernder Ehrgeiz zum 56.Mal zelebriert wurde und positiv für die Zukunft hoffen lässt.

Festivaltitan Berlinale

Unter dem Motto „Schaufenster der freien Welt“ eröffnete die erste Berlinale am 6. Juni 1951 mit Alfred Hitchcocks Rebecca im Titania-Palast. Zunächst im Sommer, seit 1978 im Februar, zählt das jährlich in Berlin stattfindende Filmfestival zu den weltweit bedeutendsten Events der Filmbranche

Candy - Liebe am Abgrund

Der australische Film Candy wurde in der Sektion "Wettbewerb" aufgeführt. In der Pressekonferenz stellten sich Abbie Cornish, Heath Ledger, der Regisseur Neil Armfield und Luke Davies (Drehbuch) den Fragen der Journalisten.