KATHMANDU
SHIVA, BRAHMA UND BODHISATTVAS
Stupa von Bodnath

Bekannt ist Bodnath wegen seiner Stupa, der seit Jahrhunderten eines der bedeutendsten Ziele buddhistischer Pilger aus Nepal und den umliegenden Regionen des Himalaya ist. Die Gründung geht zurück auf die Licchavi im 5. Jahrhundert.

Das neue Jahrtausend begann für das ehemalige Hippieparadis blutig. Nach der offiziellen Untersuchung lief Kronprinz Dipendra 2001 Amok und erschoss 11 Mitglieder der Familie, einschließlich seiner Eltern, ehe er sich selbst richtete. Nachfolger wurde der im Volk weitgehend unbeliebte Bruder des Königs, Prinz Gyanendra. Dieser setzte 2005 die Regierung ab, erklärte den Notstand und hob alle demokratischen Freiheiten auf. Generalstreiks und zahlreiche Demonstrationen zwangen Gyanendra 2006, das Parlament wieder einzusetzen. Zu den zahlreichen Demonstrationen und Streiks, in deren Folge das Geschäftsleben völlig zusammenbricht, Durch die zeitweise Belagerungen der Stadt durch Maoisten und die Abschnürung von der Außenwelt brachen das Geschäftsleben und der Tourismus, wichtige Einnahmequelle sowohl der Stadt als auch des ganzen Landes, zusammen.

Presselandschaft

In dem ehemaligen Königreich gibt es verschiedene Tageszeitungen, die englisch geprägt sind.

Wir kamen aus Tibet und hatten den Lalungla Pass hinter uns gelassen. Ewig schraubte sich die Straße aus dem tibetischen Hochland hinunter zur nepalesischen Grenze. Der Friendship Highway wurde zwischen den steil aufragenden Achttausendern immer schmaler. Links der Straße führte der alte, früher nur mit Yaks und Pferden begehbare Handelsweg, am Berg Yalungri vorbei. Nyalam war die letzte größere Siedlung; einige tibetische Wohnhäuser, chinesische Betonbauten, ein Armeestützpunkt und die letzte Wegkreuzung. Die karge, herrliche Unendlichkeit der tibetischen Hochebene, die klare und saubere, wenn auch dünne Luft, wechselte in üppiges Grün und nicht enden wollenden Dschungel. Die Straße, früher nur eine von ständigen Erdrutschen überforderte Schotterpiste, war in den letzten Jahren befestigt und ausgebaut worden. Mit unseren Jeeps schraubten wir uns immer tiefer. Linkerhand salutierten die mit dunklem Grün bewachsenen Steilhänge, rechts gähnte uns die mehrere hundert Meter tiefe Schlucht entgegen. Ein leichter Nieselregen machte uns unmissverständlich klar, dass wir die Vegetationsstufen wechselten.

Etwa eine Autostunde vor Zhangmu wurde unsere Fahrt unterbrochen. Die Bauarbeiten an der wichtigsten Verbindungsstraße zwischen Nepal und Tibet befand sich in den letzten Zügen und verursachten immer wieder stundenlange Wartezeiten. Chinesische Wanderarbeiter schaufelten und bohrten im Nieselregen an der dünnen Straße herum. Alte Kompressoren tuckerten rostend vor sich hin und mächtige Rammen kämpften gegen den abschüssigen Hang an. Direkt neben der Schlucht lagen die Unterkünfte und Lager der Chinesen. Blaue Planen schotteten die Quartiere gegen das Wetter ab, trennten Küche und die mehrfach belegten Schlafplätze voneinander ab. Es war ein Schrottplatz unter freiem Himmel, gekrönt mit Propagandaplakaten der chinesischen Atommacht. Nach endloser Warterei machten wir uns zu Fuß auf dem Weg ins Tal. Später holten uns die Jeeps wieder ein und wir fuhren im Dunkeln in die völlig, mit Menschen und LKWs überfüllte, enge und schmutzige Grenzstadt ein. Wir verbrachten einen letzten Abend mit unseren tibetischen Begleitern. Lobsang würde in den nächsten Tagen eine Gruppe aus der Schweiz über die Berge führen und sich dann sein chinesisches Sprachstudium vertiefen.

Wie in den vielen Grenzstädten dieser Welt konnten wir auch bereits hier unsere letzten chinesischen Yuan gegen nepalesische Rupien eintauschen, wofür eine ganze Gruppe an sich gegenseitig überbietenden Frauen stand. Am Morgen hatten wir wieder Stromausfall, was für die Grenzgebiete in diesem Teil Tibets nichts ungewöhnliches ist. Der Grenzübertritt zog sich in die Länge. Wir hörten, dass die Server ausgefallen sein sollten. Nepal lag auf der anderen Seite der Schlucht; keine hundert Meter entfernt. Dreckig und eng krallten sich die Häuser beiderseits der Schlucht an die Hänge. Unterhalb der Häuser lagen unbeschreibliche Müllberge, deren Ausläufer bis an den klaren Gebirgsfluss reichten. Die Chinesen kontrollierten, im Gegensatz zur Einreise, sehr intensiv unsere Gepäckstücke; blätterten die Bücher nach den verbotenen Bildern des Dalai Lama durch und inspizierten die Gebetsmühlen und Wanderschuhe. Nepal empfing uns mit weiterem Lärm. Inzwischen war es Mittag geworden und die Sonne hatte sich mit ihrer ersten Wärme in die Schlucht verirrt. In einer schmucklosen Betonbaracke erhielten wir unsere Einreisestempel. Eingeklemmt zwischen hohen Bergen, aufkommender, drückender Schwüle und umringt von streunenden Hunden, warteten wir im Nirgendwo. Der Bus, der uns nach Kathmandu bringen sollte, war nicht vor Ort und keine Besserung in Sicht. In diesen Momenten bewährte sich unsere asiatische Kaltschnäuzigkeit. Timo, der alle Reisedaten hatte, rief bei seiner nepalesischen Kontaktperson an und forderte umgehenden Ersatz, andernfalls würden wir einfach einen der hier wartenden Busse okkupieren. Innerhalb einer halben Stunde hatten wir unseren Bus, der von zwei jungen, etwa 18jährigen Nepalesen in rasanter Fahrt nach Kathmandu überführt wurde.

Der plötzliche Wetterwechsel, die drückende Schwüle, das endlose Warten, Hupen und Geschaukel während der Fahrt ließen mich innerhalb weniger Stunden zusammenbrechen. Auch wenn ich nicht ganz zusammenbrach, so sah ich doch alles nur wie hinter einer dünnen Nebelwand. Vermutlich lag es auch daran, dass plötzlich zu viele neue Eindrücke auf mich einhämmerten. Vielleicht auch daran, dass ich im Kloster Sakya die Kora im falscher Richtung gelaufen war? Oder waren es die ersten Anzeichen einer Grippe? Die Armut der ehemaligen britischen Kolonie stieß mich ab. Wie reich war doch das Land mit seiner natürlichen Üppigkeit und wie bitterarm lebten hier die Menschen zwischen Müll und Unrat. Kinder bedienten die Gäste in billigen Restaurants, struppige Hühner fegten über die staubige Straße und Wohnzelte standen unter vom Staub eingefärbten Bananenstauden.

Kathmanu empfing uns widersprüchlich und fremdartig. Die Händler in den Vororten hatten ihre Waren im Staub der Straße ausgebreitet. Einige Hunde strichen um einen Fleischstand herum, der aus alten Brettern zusammengenagelt war und Frauen trugen entlang der vielbefahrenen Straße schwere Lasten auf ihren Schultern. Oberhalb der zahlreichen Müllkippen standen kleine Zeltdörfer, wenige daneben spendeten Werbeschilder für ein Studium in Europa, Australien und den Vereinigten Staaten ein wenig Schatten. Für die wenigen Kilometer zwischen den ersten Hütten der Vorstadt und unserem Hotel benötigten wir etwa drei Stunden. Obwohl es in Nepal kaum private Fahrzeuge gibt, es fahren praktisch nur Zweitakter, Taxis, Busse und Lastkraftwagen, war der Verkehr gewohnheitsgemäß zusammengebrochen. Die Luft stand vor Abgasen – Kathmandu zählt zu den Städten mit der höchsten Luftverschmutzung – und die Dunkelheit setzte plötzlich ein.

In Kathmandu fanden wir nur in einer ausgedehnten, hinter Mauern versteckt liegenden Hotelanlage, etwas Ruhe. Ich duschte ausgiebig und trank trotz der anhaltenden Schwüle einen bekömmlichen Matetee. Danach ging es mir etwas besser, auch wenn mir immer noch unwohl war und so ging ich bald nach dem Abendessen schlafen.

Der nächste Tag stand im Zeichen von Shiva, Buddha und dem Trekkingparadis Kathmandu. Nach den Unruhen der letzten Jahre trafen wir in Pashupatinath zuerst auf die unsäglich aufdringlichen Möchtegern-Guides und Antiquitätenverkäufer. Pashupatinath ist eine der wichtigsten Tempelstätten des Hinduismus. Hier wird Shiva, die mächtige Gottheit der Zerstörung, als Pashupati (Herr der Tiere) verehrt. Die Tempelanlage liegt am heiligen Fluss Bagmati. Den eigentlichen Tempel, nur für Hindus zugänglich, war für uns gesperrt, doch konnten wir einen Blick in den vorderen Tempelbezirk werfen. Doch bevor wir auf diese Seite des Bagmati gingen, wurden wir von der hiesigen Seite des Flusses Zeugen einer der „letzten Riten“ vieler gläubiger Hindus. Der Bagmati teilt die Anlage in zwei große Bereiche. Am linken Ufer des Bagmati liegen der Pashupatinath-Tempel und die Verbrennungsstätten, die Arya Ghats (Verbrennungsstätten der höheren Kasten) und die Surya Ghats (Verbrennungsstätten der niederen Kasten). Als „letzter Ritus“ gilt es als erstrebenswert, seine Leiche hier verbrennen zu lassen. Bereits auf dem Weg zu den Verbrennungsstätten bemerkte ich die qualmenden Scheiterhaufen am Ufer. Der heilige Fluss war vollkommen verdreckt und die verkohlten Überreste der Feuer lagen im Wasser verstreut. Kinder suchten im trüben Wasser nach Wertvollem, fischten die von Pilgern in den Fluss geworfenen Münzen mit selbstgebauten Netzen und Magneten wieder heraus. Einige hundert Meter unterhalb der Scheiterhaufen wuschen Frauen ihre Wäsche in dem heiligen Nass. Die Sonne strahlte bereits wieder unerbittlich auf uns herab. Wir nahmen gegenüber Arya Ghat, dem Verbrennungsplatz der Mitglieder der königlichen Familie Platz und verfolgten die Zeremonie. Die in gelbe Tücher gehüllte Leiche wurde zum vorbereiteten Scheiterhaufen getragen. Bereits kurz zuvor wurden ihr die Füße im heiligen Bagmati gewaschen. Der eigentlichen Verbrennung dürfen nur die männlichen Angehörigen beiwohnen; die Frauen stehen klagend abseits. Während der Vorbereitungen, die sich ewig hinzuziehen schien, jagten einige junge Halbstarke eine ältere Frau am Ufer entlang. Die Alte war offensichtlich geistig verwirrt, beschrie und beschimpfte die Jungen, das es laut von den Tempelanlagen und Altären widerhallte. Doch der Übermut und die Reaktion der Frau ließen die Jungs nur weiter rufen und die Alte mit Nüssen beschmeißen, die sie kurz zuvor aus dem Fluss geangelt hatten. Ich setzte mich auf die kühlen Stufen des Shivatempels in den Schatten, während die Leiche auf den Scheiterhaufen gehoben wurde und ein Mann, der Tradition nach, der älteste Sohn, den Scheiterhaufen fünfmal im Uhrzeigersinn umschritt. Danach zündete ein Priester mit Strohbüschen den Scheiterhaufen an, das er dazu in den Mund des Toten steckte. Feuchtes Stroh sorgte für heftigen Qualm und Timo für unerschöpfliche Erklärungen. Ich schaltete nur noch ab.

Ein etwa 14jähriger Junge kam auf mich zu. „How are you? Wher do you come from? You are American? From Europe? Frances? A, Germany. Ich spreche auch Deutsch. Spreche sehr gut, kenne Goethe, Heine und Clausewitz.“ Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Ich konnte seiner Neugier und Offenheit kaum nachkommen. „Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will Dir nichts verkaufen. Almosen möchte ich nicht. Aber benötigst Du noch etwas? Wo ich Deutsch gelernt habe? In der Schule und hier mit den Menschen? Nein, ich muss jetzt nicht zur Schule, wir haben frei.“ Die schnelle Improvisationsgabe des Jungen verblüfften mich. „Sind das da vorn Deine Freunde? Vielleicht benötigen sie noch etwas?“ Leider konnte ich ihm nicht helfen und gab ihm meine letzten Kaugummis. Wichtig dreinblickend ließ er von mir ab und versuchte sein Glück bei einem jungen Pärchen wenige Meter neben uns. Als ich mich umblickte, bemerkte ich einige Saddhus, den Körper mit Asche eingerieben und die verdreckten, langen Haare in einem überdimensionalen Knoten auf dem Kopf zusammengebunden. Je verrückter, umso besser und einträglicher. Die heiligen Männer waren geschäftstüchtig, mit Handys ausgestattet und streckten jedem, der sie ohne Erlaubnis fotografieren wollte, sofort ihre Hand entgegen. Keine Rupie – kein Foto.

Wir liefen hinauf zum Mrigasthali-Hügel, in jenen Hain, in dem sich der Legende nach Shiva mit Parvati in Gazellengestalt vergnügt habe sollte. Durch die Bäume leuchtete von weitem die Stupa von Bodnath, dem buddhistischen Heiligtum in Nepal. Einige Gazellen sprangen vorbei und auf dem Rückweg stürmte ein Pavian laut kreischend auf mich zu. Mit einigen lauten Rufen konnte ich ihn in die Flucht schlagen. Kathmandu und Shiva waren der Meinung, dass ich nicht länger hier bleiben sollte. Wir fuhren noch nach Bodnah, dem bedeutendsten Pilgerziel des tibetischen Buddhismus in Nepal und machten unsere Kora um die weithin leuchtende Stupa. Danach ging es gar nicht mehr. Während die anderen nach Thamel fuhren und sich dem touristischen Einkauf hingaben, nahm ich mir ein Taxi und fuhr ins Hotel zurück. Ich verzichtete auf das Abendessen, nahm zwei Aspirin und versuchte mein Fieber herunterzubekommen. Die Nacht verging mit wirren Träumen, Saddhus und Brahmanen standen auf lichterloh brennenden Scheiterhaufen und die Sonne verzerrte alles im grellen Licht. Am nächsten Tag flogen wir nach Deutschland zurück. Ein langer, unerträglicher Flug mit einer unerträglichen Reisebegleiterin. Ich strich Nepal von meiner Liste der lohnenswerten Reiseländer. Fremde Länder, wilde Tiere. Doch die frühen Hippiezeiten waren längst vorbei und ich hatte die klare Hochgebirgsluft des Himalaya erlebt. Dagegen kamen die staubigen und schwülen Straßen Nepals nicht an.
Läusejagd in Zhangmu

Der kleine Grenzflecken, der auf nepalesisch Khasa genannt wird, hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Der Friendship Highway, der durch den Ort führt, ist eine der wichtigen Direktverbindungen zwischen Nepal und Tibet.

Pashupatinath

Der Tempel beherbergt das heilige Linam, das Symbol Shivas und darf nur von Hindus betreten werden.

Handwerksfirma Nepal

Kathmandu war eine Station auf den Hippie trails. Die Stadt wurde in den 1960er und 70er Jahren in einem Atemzug zusammen mit Kabul und der Khaosan Road in Bangkok genannt. Spuren davon findet man heute noch in verschiedenen Namen von Restaurants und kleine Straße wie der Freak Street. Ansonsten ist von dem Flair dieser Zeit nichts übrig geblieben und viele Touristen, die Kathmandu mit der alten Mystik und dem Zauber in Verbindung bringen, erleben eine Enttäuschung.

Saddhus - heilige Männer

Je verrückter, umso besser und einträglicher. Die heiligen Männer waren geschäftstüchtig, mit Handys ausgestattet und streckten jedem, der sie ohne Erlaubnis fotografieren wollte, sofort ihre Hand entgegen. Keine Rupie – kein Foto.

Straßenhändler

Die Händler in den Vororten hatten ihre Waren im Staub der Straße ausgebreitet. Einige Hunde strichen um einen Fleischstand herum, der aus alten Brettern zusammengenagelt war und Frauen trugen entlang der vielbefahrenen Straße schwere Lasten auf ihren Schultern.