KUBA 1 von 2
SOZIALISMUS UNTER PALMEN
Che-Guevara-Memorial Santa Clara

Ernesto "Che" Guevara Serna, seit zwei Generationen Idol unzähliger Jugendlicher, Popikone und Berufsrevolutionär ist nicht mehr aus Kuba wegzudenken. Der 1928 im argentinischen Rosario geborene comandante galt als einer der Chefideologen der Revolution und strebte die totale Verstaatlichung an. Sein eigentliches Ziel war die Schaffung eines "neuen", selbstlosen Menschen im Dienste der Allgemeinheit. Nach seiner Exekution im Oktober 1967 im bolivianischen Higuera stieg Che zur Ikone auf. Erst 1997 wurden seine Überreste nach Kuba überführt und in Santa Clara feierlich beigesetzt.

Alle 38 im Mausoleum Bestatteten sind 1967 im bolivianischen Guerillakampf getötet worden. 1998 wurden auch die Überreste von Tamara Bunke überführt. Bunke hatte den Industrieminister Guevara 1960 in der DDR kennengelernt und schloss sich wenig später als einzige Frau den Befreiungskämpfern in Bolivien an.

Kubanische Exportschlager

Che und Rum. Die Verkaufsschlager der Karibikinsel sind weltweit bekannt und werden im Original, als Kopie und in Liedern (Hasta siempre!) lebendig gehalten. Rum, das alkoholische Nationalgetränk galt bis vor gut 200 Jahren noch als minderwertiges Piratengesöff. Der spanische Weinhändler Fernando Bacardi begründete 1862 das Rumimperium mit den Fledermäusen im Zeichen.

Hasta la victoria sempre. Während die rote Karibikinsel für viele das letzte dahinsiechende Replik eines diktatorischen Experiments ist, bleibt sie für andere die letzte Bastion des real existierenden Sozialismus. Für wieder andere ist Kuba einfach nur schick und eine billige Urlaubsinsel mit weißen Stränden, Rum und Karibikfeeling. Kuba ist all das und – bei näherem Betrachten noch manches mehr. Denn immer noch gilt, andere Länder, andere Sitten.

Der Kubareisende als solcher war über die Jahrhunderte vielschichtig, so wie das Land historisch immer wieder im Wandel war. Am 27. Oktober 1492 ankerte Christoph Kolumbus vor Ostkuba. An der Playa Bariay soll er den darauffolgenden Tag erstmals kubanischen Boden betreten haben. Der Seefahrer schrieb über das Eiland: „Ich habe keinen schöneren Ort je gesehen. Die beiderseitigen Flussufer waren von grünumrankten Bäumen eingesäumt, die ganz anders aussahen, als die heimatlichen Bäume Sie waren von Blumen und Früchten der verschiedensten Art behangen, zwischen denen zahllose gar kleine Vögelein ihr süßes Gezwitscher vernehmen ließen“.

Anfang des 19. Jahrhunderts besuchte der Naturforscher Alexander von Humboldt die Insel zwei Mal mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland. Humboldt schrieb „Es gibt kein Eiland, das so reiche an Düften ist wie Cuba“.

Bereits vor 12.000 Jahren besiedelt, blickt die Insel auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Von Kolumbus bis zur Revolution 1959 war Kuba von Fremdherrschaft gekennzeichnet. Ab etwa dem Jahr 1250 gelangten die Arawak aus dem Gebiet des heutigen Brasilien auf der Flucht vor feindlichen Stämmen nach Kuba. Sie lebten in Dörfern, betrieben Ackerbau und Fischfang und verliehen den Köpfen ihrer Kinder durch Bandagieren eine längliche Form. Die landwirtschaftliche Produktion basierte, ähnlich dem kubanischen Sozialismus, auf Gemeinschaftsarbeit und Gemeineigentum.

Nach der Landung der Spanier und der folgenden Kolonisation Kubas, 1512 wurde die Stadt Baracoa gegründet, begann die über 450 Jahre andauernde Ausbeutung der Insel. Durch Massaker, eingeschleppte Infektionskrankheiten und den gnadenlosen Einsatz beim Anbau von Zuckerrohr wurden die Indígenas auf einige tausend dezimiert. Der Untergang der präkolumbianischen Kultur war nicht aufzuhalten, weder durch den verzweifelten Kampf des Kaziken Hatuey, noch durch die Briefe des Paters Bartolomé de Las Casas. Der Hafen von La Habana wurde ab 1564 Sammelpunkt für das den Azteken geraubte Silber. Doch die Spanier brachten auch die Syphilis mit nach Europa, die bis dahin unbekannt war. Zur selben Zeit begann der Anbau des von den Kanaren eingeführten Zuckerrohrs, der zum Exportschlager Kubas werden sollte. In den 1620er Jahren begann ein weiteres dunkles Kapitel in der Kolonialgeschichte der Spanier. Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts wurden über 850.000 Afrikaner in die karibischen Kolonien versklavt. Etwa fünfzehn von einhundert der überwiegend aus den heutigen Gebieten von Nigeria und Benin stammenden Menschen starben bereits während des Transports im sogenannten Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und der neuen Welt. Nur wenige konnten von den Plantagen flüchten. Mehrere Aufstände im Jahr 1843 wurden brutal niedergeschlagen, doch die Rechnung der Plantagenbesitzer ging wirtschaftlich auf: Kuba war ab dem Ende des 17.Jahrhunderts der größte Zuckerexporteur der Welt. 1886 wurde die Sklaverei auf internationalen Druck hin und als Folge des ersten Unabhängigkeitskrieges vollständig abgeschafft.

Die zweite Hälfte des 19.Jahrhundert Kubas war von zahlreichen Unabhängigkeitskriegen geprägt. Nachdem es bereits im 18.Jahrhundert zu Spannungen zwischen kreolischen Großgrundbesitzern und der spanischen Krone gekommen war, begann 1868 der erste Krieg, der mit der Niederlage der Rebellen und dem Friedensvertrag von Zanjón endete. 1895 begann erneut ein Befreiungskampf, drei Jahre später aufgrund der Intervention der USA zugunsten der Kubaner der Spanisch-Amerikanische Krieg. Im Pariser Frieden vom 10.Dezember 1898 wurde die Unabhängigkeit Kubas von Spanien unterschrieben. Die Anführer der Unabhängigkeitskriege sind noch heute allgegenwärtig. Jeder kubanische Grundschüler kennt den Großgrundbesitzer Carlso Manuel de Cespédes, den dunkelhäutigen Antonio Maceo, Máximo Gómez y Báez aus der Dominikanischen Republik und José Martí. Letzterer ist neben Ernest „Che“ Guevara Nationalheld, seit Jahrzehnten auf jedem Ein-Peso-Schein abgebildet und in unzähligen Büsten und Statuen auf der ganzen Insel verewigt.

Obwohl Kuba 1902 unter dem ersten Präsidenten Tomás Estrada Plama Republik wurde, sollten die USA für die nächsten Jahrzehnte Politik und Witzschaft übernehmen. Kuba wurde „Hinterhof“ der Vereinigten Staaten. Wirtschaftsbosse, Politiker und Kriminelle besuchten nun die Insel. La Habana, das „Paris der Tropen“,  mutierte zur Vergnügungsmetropole der amerikanischen High-Society und Mafia. Die wirtschaftliche Ausbeutung und Abhängigkeit hatte System und wurde bis in die 1920er Jahre gefestigt. 1928 herrschten große amerikanische Konzerne wie die „United Fruit Company“ drei Viertel der Zuckerproduktion. Kuba wurde immer abhängiger von Lebensimporten, ein Zustand, der bis heute anhält.

Mit dem (fehgeschlagenen) Sturm auf die Moncada-Kaserne am 26.Juli 1953 begann unter dem jungen Rechtsanwalt Fidel Castro Ruz die kubanische Revolution. In deren Folge sollte es zur größten gesellschaftlichen Umwälzung in der westlichen Hemisphäre kommen, Mythen geboren und Legenden gebildet werden. Die Guerillakämpfe der kubanischen Revolutionäre endeten mit dem Sieg gegen die von Diktator Batista stationierten Soldaten in Santa Clara und dem Einzug in La Habana am 8.Januar 1959.

Die Welt sah nun rot. Auf dem Höhepunkt des kalten Krieges, in den Jahren 1959 bis 1962, jagte ein politischer Höhepunkt den nächsten. Castros USA-Besuch im April 1959 endete damit, dass Vizepräsident Richard Nixon die Anti-Castro-Kampagne in Gang brachte; das US-amerikanische Desaster in der Schweinebucht am 15.April 1961 fand hier ihren Höhepunkt.

Die Spannungen verschärften sich in den darauffolgenden Jahren. Im Zuge der Agrarreformen wurden bereits 1959 riesige Flächen der amerikanischen Früchteimperien entschädigungslos enteignet worden. Bereits Anfang 1960 suchte das Castro-Regime die Unterstützung der Sowjetunion. Die wirtschaftliche Abhängigkeit wurde indessen in den Folgejahren nur verlagert. Der große Bruder stationierte Militärberater, Truppen und Erntehelfer auf der Karibikinsel. Die USA versuchten, Kuba wirtschaftlich zu isolieren, drehten den Ölhahn zu und verhängten im Juni 1961 ein absolutes Handelsembargo, welches, von einigen Modifikationen abgesehen, noch heute besteht. Kuba sah sich um volle Aufnahme in den Kreis der sozialistischen Staaten gezwungen.

Im Oktober 1962 stand die Welt am Rande des dritten Weltkrieges und hielt sechs Tage lang den Atem an. Mit Kennedys Befehl vom 22.Oktober 1962, die sowjetischen Schiffe in internationalen Gewässern aufzuhalten und nach Raketen zu durchsuchen, begann die sogenannte Kuba-Krise. Das Bangen, Hoffen, Telefonieren und Musekelspielen entschärfte Kennedy erst am 28.Oktober, als er den Sowjets in einer geheimen Botschaft zusicherte, dass es keine Invasion Kubas geben werde. Chruschtschow, dankbar für dieses Entgegenkommen, ließ, ohne Rücksprache mit Castro, die bereits installierten atomaren Mittelstreckenraketen abziehen.

Nach zwei Agrarreformen befanden sich 1963 bereits zwei Drittel des kubanischen Bodens in Staatsbesitz. Doch die politische Unerfahrenheit der Revolutionäre forderte ebenso ihren Tribut wie herbe wirtschaftliche Rückschläge verkraftet werden mussten. Guevara etwa, der stets auf eine allgemeine Bewusstseinsveränderung bis hin zum „neuen Menschen“ gesetzt hatte, versagte als Präsident der Nationalbank wie als Industrieminister. Produktionsrückgang, Desorganisation, Qualitätsabfall und eine immer stärker werdende Abhängigkeit von der UdSSR waren die Folge. 1972 wurde Kuba vollwertiges Mitglied des COMECON, der Wirtschaftsgemeinschaft der sozialistischen Staaten, in deren Folge höhere Preise für Exportprodukte gerechnet werden konnte und die Schuldenlast reduziert wurde. 1973 legte die Sowjetunion ein milliardenschweres Hilfspaket auf. Die Abhängigkeit von den Ländern des Ostblocks sollte Kuba nach dem Zusammenbruch der Bruderstaaten zum wirtschaftlichen Verhängnis werden. 1989 rissen die wichtigsten Handelsbeziehungen ab. Wichtige Kredite platzten, die sowjetische Wirtschaftshilfe in Höhe von jährlich fünf Milliarden US-Dollar wurde eingestellt und es kam zur schlimmsten Energiekrise der kubanischen Geschichte und zu erheblichen Versorgungsengpässen der Bevölkerung. Fabriken mussten schließen, Fahrräder und Kutschen ersetzten Autos und die Schlangen vor den staatlichen Geschäften wurden immer länger. Doch oft waren noch nicht einmal mehr die Hungerrationen der Lebensmittelkarte vorrätig. Castro sah sich im August 1990 zu einem rigorosen fünfjährigen Sparhaushalt gezwungen. Doch auch die amerikanische Regierung blieb nicht müßig und verschärfte  1992 mit dem Toricelli-Act unter dem Präsidenten George H.W.Bush das Wirtschaftsembargo gegen die Kubaner. Der Máximo Líder Castro hielt nichtsdestotrotz auch in den 1990er Jahren am Kommunismus fest, sah sich jedoch zu einigen ökonomischen Reformen genötigt. Später diente das chinesische Modell als wirtschaftliches Beispiel. Doch die Zugeständnisse ließen bald ein duales Wirtschaftssystem und somit eine Zweiklassengesellschaft entstehen, in der sich Dollarbesitzer und diejenigen ohne grüne Scheine gegenüberstehen. „Ein Schrittchen vor, zwei zurück“, die Wirtschaftspolitik wird auch von den Kubanern als unberechenbar bezeichnet. Die Garantie der Vollbeschäftigung ist schon lange nicht mehr gegeben; doch betrug die Arbeitslosenquote 2003 noch 4,1 Prozent, so konnte sie bis 2006 auf statische 1,9 Prozent gesenkt werden.

Die kubanischen Assoziationen beschreiben auch gleich die Standbeine der Wirtschaft. Zucker, Tabak, Rum und Ferien. Neben dem „süßen Erbe“ Zuckerrohr sind neben anderen Kaffee, Kakao, Reis, Baumwolle und Zitrusfrüchte wichtige Agrarprodukte. Kubas exzellente (handgedrehte) Zigarren werden von Rauchern rund um den Globus geschätzt. Jährlich gehen etwa 100 Millionen „Havannas“ in den Export. Einige Industrieprodukte wie Nickel, Baustoffe, Edelhölzer und andere Konsumgüter bilden einen kleinen Anteil. Die hochentwickelte kubanische Pharmaindustrie verkauft ihre Produkte, in erster Linie auf den Märkten der Dritten Welt.

Die größte Devisenquelle stellt seit einigen Jahren der internationale Tourismus dar. Pauschalreisen in das tropische Land locken zahllose Touristen. Varadero, einst eleganter Badeort millionenschwerer Amerikaner wie Du Pont und gesuchter Mafiosi (Al Capone), stieg zum Ferienparadies Nummer Eins auf. Das Paradies mit den langen Sandstränden ist indes nur den Touristen und Angestellten, dem Fast Food und Müßiggängern vorbehalten. Dem kubanischen Alltag begegnet man hier nur schwer.

Mythos Havanna

Das Capitolo Nacional, eine Replik des Washingtoner Lapitols, dominiert mit seiner 62 Meter hohen Kuppel immer noch das Stadtbild Havannas.Im nahegelegenen Hotel "Sevilla" spielt Graham Greenes Roman "Unser Mann in Havanna". Ernest Hemingway verbrachte auf Kuba 22 Jahre, Im "El Floridita" genehmigte er sich einige Daiquiri um anschließend in "La Bodeguita" noch einige Mojito nachzugießen. Heute ist seine über der Stadt gelegene "Finca Vigía" beliebtes Ausflugsziel.

Strassenszene in Havanna

Der Verfall der Häuser ist der wirtschaftlichen Misere zu verdanken. Das tropische Klima der Karibik fördert das langsame Dahinsiechen zudem auf seine Weise. Wichtige staatliche, historische und touristische Gebäude erfahren notwendige Verjüngungskuren.

Kubanische Propaganda

Auch wenn die Staatspropaganda nicht mehr wie in frühen Jahren omnipräsent ist, verweisen doch immer wieder Zeitzeugen auf den übermächtigen Gegner auf der anderen Seite der Floridastrasse.

Kommune Las Terrazas

In dem Modelldorf in der Sierra del Rosario siedelten in den 1960er Jahren verarmte Bauern. Der Zugang zu Strom, fließend Wasser und einer Infrastruktur blieb auf einige solcher Projekte beschränkt.

Topes de Collantes

Der Regenwald bietet dem Reisenden heute eine willkommene einsicht in die kubanische Lebensweise abseits der Touristenorte. Die heimischen Reiseführer handeln in der Stille gern mit liebevoll gedrehten Tabakwaren und der Geschichte von der "Schwester" in der Tabakfabrik.