MALLORCA
PALMA, BALNEARO, VALDEMOSSA UND GEORGE SAND
Valdemossa

"Gegen die Mitte des Dezember gingen wir an einem heitren Morgen nach Valdemossa ab, um an einem jener schönen Herbsttage, die num immer seltener wurden, Besitz von unserer Klause zu nehmen. ... Einige Pyrenäenthäler ausgenommen, zeigte sich mir die Natur nirgends so frei in ihren Ansichten, als hier auf diesen ausgedehnten Ländereien ...Da sieht man verkrüppelte und schön gewachsene Bäume, abscheuliche Diesteln und prachtvolle Blumen. Alles in der natürlichsten Gestat, Abhänge, Hügel, steinige Flusspfade, die plötzlich an einem Abgrunde aufhören, grüne Rosenwege, die nach einem hemmenden Flüsschen ausmünden, offene Ebenen, vor denen sich auf einmal eine steile Berghöhe auftürmt." George Sand (Ein Winter auf Majorca)

Presselandschaft

Neben den spanischen Medien gibt es für die zahlreichen - deutschen - Mallorcaner auch wöchentlich erscheinende Zeitungen in deutscher Sprache. Das Mallorca Magazin erscheint neben der Mallorca Zeitung und dem 1998 erschienenen El Aviso.

Mallorca und die Deutschen. S’Arenal und der Ballermann, Sangria und Wolfgang Petry. Wie stark wurde das Bild der größten Baleareninsel durch den Massentourismus geprägt. Als ich mich im Frühjahr entschloss, einige Tage auf der Insel zu verbringen, war der Ballermann bereits tot. So jedenfalls ließ es „Die Welt“ bereits ein halbes Jahr zuvor (am 03.Juni 2003) in einem Nachruf verkünden.

„Nächstes Jahr wäre er 25 geworden - der Ballermann. Für einen Kult ein hübsch hohes Alter. Schon seit Jahren kränkelte er. Sein Äußeres: zunehmend abgewrackter. Selbst der Appetit ließ zu wünschen übrig: Pizza, Brat- und Currywürste wurden verschenkt, und Ballermanns Lieblingstrunk, Sangria, wurde schal, weil zum Ladenhüter. Genau wie die kultigen Ritualbestecke. Der blaue Plastikeimer und die einen Meter langen knickbaren Strohhalme verstauben nun in den Regalen der Strandshops. Der Ballermann wird gemieden, der Ballermann ist out, der Ballermann ist zu teuer, zu peinlich, der Ballermann ist tot.“

Obwohl ich bemüht war, diese grölenden und versoffenen Ballermann-Zonen zu meiden, peinlich genug war es mir ja ohnehin, nach Mallorca zu fliegen, lag mein Hotel am oberen Ende der Calle de Amílcar. Ich hatte den Checkpot geknackt. Doch der Ballermann war wirklich tot. Im März regieren zudem die Rentner und Familien die spanische Insel. Die Jungs und Mädels im pubertierenden Alter, die sich noch im Totenkult sonnen wollten, kamen erst mit Last Minute im Sommer. So traf ich auf eine Geistermeile. Balneario Nº 6, verballhornt zum Ballermann, lag mit seinen Biertränken und Tanzkneipen, aneinandergedrückten Hotelkomplexen und Kiosken einsam am Strand.

„Mittags um drei am Strand von El Arenal: Leer gefegt sind die Straßen. Einzig die kreidebeschriebenen Tafeln, die Schweinshaxe, echtes Kölsch und Bockwurst feilbieten, bezeugen, dass hier einst der Bär tobte - der Freizeitbär deutscher Alltagsemigration. Bierstube. Pizzeria. Bierzelt. Wurstbude. Dicht an dicht reihen sich die leeren Stühle und Tische der Wirtsstuben, und an den langen Holztresen lassen die Biergläser die Köpfe hängen. Ja, selbst in der Bierstraße, dem Herzen des Ballermanns, pfeift der Wind wie durch eine verlassene Filmkulisse. Wo nur sind die Darsteller hin? Als seien sie eben erst verschwunden und hätten vergessen, die Musik abzudrehen, dröhnt Wolfgang Petrys "Das ist Waaahnsinn" aus "Don Antonios Lugano". Der Kellner hebt erschrocken den Kopf, dann langsam die Schultern: "Mehr als flau." Er meint die Saison. Gegenüber im "Köpi" ("Mallorcas älteste Bierstube") sitzen immerhin drei wackere Burschen. Die T-Shirts wie Geschirrhandtücher in die Gürtel ihrer Bermudas geklemmt, schaukeln sie verhalten zum Petry-Song und schauen verwundert drein: Wo ist sie bloß, die Party? Der "Almrausch" ("Mallorcas erste Skihütte") lässt tagsüber die Holzläden zu, erst ab sechs wird Personal bezahlt. Und das "Deutsche Biereck" hat ganz zugemacht. Wie ein verrutschtes Stirnband hängt die abgerissene grüne Markise über der Tür, die Deutschlandfahne hat der Wind zerfetzt. Ein Besenstiel liegt am Boden, als sei er dem Letzten beim Lichtausmachen aus der Hand gefallen.“

Immerhin hatte Mallorca mehr zu bieten, als Strand und Sonne. Der Massentourismus hielt sich, säuberlich gegliedert, in seinen Urlaubszonen auf. Die Deutschen mehrheitlich in S’Arenal, die Briten mit ihren Schaumpartys in Magalluf. Noch zeichnete sich keine rasante die Tourismuswende ab, die auch erst gegen 2010 einsetzen sollte. Die Balearen sind dem anhaltenden Tourismus nicht mehr gewachsen. Massive Umweltprobleme und sinkende Qualitätsstandarts in den Ferienorten prägen das Urlaubsbild. Die Wasserversorgung ist an ihre Grenzen gestoßen; die natürliche Wasserarmut wurde durch den Massentourismus verschärft und bedroht seither Flora und Fauna. Gleichzeitig gelangen aufgrund der saisonalen Überlastungen der Kläranlagen Abwässer ungefiltert in das Meer und bringen das sensible Ökosystem der Unterwasserwelt aus dem Gleichgewicht.

Auf dem Weg nach Valdemossa stieß ich glücklicherweise auf eine ursprüngliche Landschaft. Keine Hotelhochburgen, keine ausgebauten Asphaltstraßen. Mir begegneten etliche Radfahrer; Mitvierziger Manager und Möchtegernprofis, die sich tagsüber sportlich und am Abend gesellig gaben; einige junge Familien und manche Wanderer. Die ehemalige „Schweineinsel“ hatte sich für den Massentourismus geändert. Reisebüros boten neben Vollpension auch günstige Tagesausflüge zu den Höhlen von Porto Cristo und Artà, den römischen Ruinen von Pollentia in Alcúdia, den Strand von Formentor oder der Kartause von Valldemossa an. Letztere ist heute eine der größten Sehenswürdigkeiten der Insel. 1399 von Martin I., König von Aragon, auf den Grundmauern eines Alcázars gegründet, wurde das Kloster Cartuja de Jesús Nazareno des Kartäuserordens 1835 säkularisiert. Amandine-Aurore-Lucile Dupin de Francueil, bekannt als George Sand, wurde die berühmteste Besucherin. Im November 1838 fuhr die französische Schriftstellerin mit ihren Kindern Maurice und Solange nach Mallorca. Frédéric Chopin, der zeitlebens unter Tuberkulose litt, erhoffte sich Besserung vom Klima und begleitete Sand, mit der er im selben Jahr eine Liaison begonnen hatte. Für den Komponisten verlief der Aufenthalt in der Kartause katastrophal. Die Räumlichkeiten waren zu kalt und zum wenig freundlichen Wetter kam hinzu, dass die Mallorquiner gegenüber dem nicht verheirateten Paar sehr distanziert blieben.

„Plötzlich hörten die so heiteren Nächte auf und die Regenzeit begann. Eines Morgens vernahmen wir, nachdem der Wind die ganze Nacht hindurch geheult und der Regen an das Fenster geschlagen hatte, beim Erwachen das Brausen des Wassers, welches sich einen Weg über die Steine seines Bettes zu brechen begann. Am folgenden Tage wurde es noch lauter und am zweitfolgenden riss es die Felsstücke mit fort, die seinen Lauf hemmten. Die Bäume hatten alle Blüten verloren und in unsere schlecht verschlossenen Zimmer drang Wasser ein. Es ist unbegreiflich, wie wenige Vorkehrungen die Majorcaner gegen diese Stürme und Regengüsse treffen. Ihre Täuschung oder Großtuerei ist in dieser Beziehung so auffallend, dass sie diese zwar vorübergehenden, aber starken Unannehmlichkeiten ihres Klimas sogar völlig ableugnen wollen. Die ganzen zwei Monate hindurch, während welcher eine wahre Sündflut herabströmte, behaupteten sie fortwährend, es regne auf Majorca gar nie. …

Unsere Einrichtung war splendide, wir besaßen untadelhafte Gurtbetten, nicht allzu weiche Matratzen, welche theurer waren als die pariser, aber doch neu und reichlich waren, ferner grosse wattierte Fussteppiche, womit die Juden auf Palma handelten …

Wir waren also auf Majorca allein, eben so allein wie in Einöde und wenn wir im Kampf mit den Affen unsere Leibesnahrung für je einen Tag herausgeschlagen hatten, so setzten wir uns traulich um den Ofen herum und lachten über unsere Abenteuer. Allein, je weiter der Winter vorrückte, desto mehr verscheuchte in meiner Brust Traurigkeit die heitre, fröhliche Stimmung. Der Zustand unseres Kranken ward täglich bedenklicher, draussen heulte der Wind, schlug der Regen an die Fensterscheiben, durchdrang das Brüllen des Donners die dichten Mauern unsere Wohnung und tönte schauerlich zu dem Lachen der spielenden Kinder. Adler und Geyer, durch den Nebel kühn gemacht, zerrissen unsere armen Sperlinge sogar auf dem Granatbaum unter meinem Fenster. Das wüthende Meer verhinderte jede Landung, wir waren Gefangene, fern von aller Hülfe aufgeklärter und mitfühlender Menschen. Der Tod schien über uns hinzuschweben, um Einen von uns zu abzuholen und wir hatten Niemanden, der uns half.“

Nach knapp drei Monaten,  Chopins Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert und George Sand war über das Verhalten der Inselbevölkerung außer sich, verließen alle die Insel wieder. In "Ein Winter auf Mallorca" setzte Sand ihren mallorquinischen Zeitgenossen ein galliges Denkmal.

Während ich die Insel jenseits der Touristenhochburgen erkundete, explodierten in Madrid mehrere Bomben und rissen 191 Menschen in den Tod. Spanien stand unter Schock und ich fühlte mich an den 11.September in Memphis erinnert.

"Punkt zwölf wird die Musik abgedreht. Das gebietet das spanische Biergartenschlussgesetz. Die richtigen - die alten, echten - Ballermänner nehmen beherzt ihren letzten Schluck. Dann gehen sie lautlos ihrer Wege, sie taumeln nicht mal. Dietmar Motzek ist einer von ihnen. Seit 20 Jahren kommt er mit seinem Fußballverein B.V. Wevelinghoven - "das liegt zwischen Düsseldorf und Köln" - an die Playa. "Soo viel hat sich verändert", stöhnt er "ich könnt Ihnen da was erzählen." Und gedämpfter, als flüstere er ein Geheimnis: "Der Ballermann ist tot. Totgeredet. Die Medien!" Er ruhe in Frieden." (Die Welt, 2003)

Windmühlen in Palma

Nur noch auf Kreta prägen so viele Windmühlen das Landschaftsbild. Leider sind die traditionellen Windmühlen meist vom Verfall bedroht.

Serra de Tramuntana

Im Gegensatz zu den zahllosen Hotelhochburgen sind heute noch weite Strecken dieser wilden Landschaft ursprünglich und weitgehend intakt.

Kathedrale von Palma

"Die Majorcaner stellen ihre Kathedrale hoch über die zu Barcelona ... Auf den Gesimsen der Gewölbe erblickt man viele Familienwappen. Das Vorrecht, ihre Wappen auf diese Weise im Gotteshaus anbringen zu dürfen, erkauften die reichen Majorcaner mit schwerem Geld ..." (G.Sand)

S'Arenal

"Die Zeiten, in denen die Zone Nummer sechs am Balneario Europas wildeste Open-Air-Erotik-Bar war, wo Sonne, Sand und Sangria alle Hemmungen abschmolzen - diese Zeiten sind wirklich vorbei. Heute sind die meisten Strandbesucher Familien." (Die Welt, 2003)