RADEBEUL
"VILLA SHATTERHAND", TRAPPER GEIERSCHNABEL UND VÖLKERVERSTÄNDIGUNG
Schlacht am Little Big Horn*

"Plötzlich taucht vor meinen Augen ein aus roh behauenen Stämmen zusammengefügtes Blockhaus zwischen hohen Tannen auf. Wir schlagen mit dem eisernen Türklopfer dreimal an die Bohlentür, und eine übermuskolöse sehnige Gestalt tat uns mit herzhaftem Indianergruß auf ... Patty Frank führte mich mit Stolz durch die einzelnen Räume, zeigte mir seine Sammlung indianischer Waffen und Kleider. An einer Wand prangt die Skalpsammlung Franks, die mehr Skalpe umfaßt als sämtliche deutsche Museen zusammen besitzen. Auf Tischen und in Ecken drängen sich ganze Stapel von bemalten Tierfellen, Waffen und indianischen Kriegsinsignien." ("Im Wigwam Old Shatterhands", Dresdner Nachrichten, 13.Februar 1927)

*Detailansicht eines Gemäldes in der "Villa Bärenfett"

Arbeitszimmer Karl Mays

Vor seiner Identitätskrise 1900 ließ sich Karl May gern in seiner selbst geschaffenen Abenteurwelt zwischen Jagdtrophäen, exotischen Waffen und Büchern und Manuskripten fotografieren.

„Soll ein Buch seinen Zweck erreichen, so muß es eine Seele haben, nämlich die Seele des Verfassers. Ist es bei zugeknöpftem Rock geschrieben, so mag ich es nicht lesen.“ (Karl May, „Old Surehand III“, Freiburg 1896)

Seine Abenteuererzählungen sind in 28 Sprachen übersetzt. Mit einer, deutschsprachigen, Gesamtauflage von mehr als 80 Millionen Exemplaren ist Karl May der weltweit meistgelesene deutsche Autor. Der aus einfachsten und armen Verhältnissen stammende Sachse stieg bereits zu Lebzeiten zum Titanen auf. Während ihm zahlreiche Neider seinen schriftstellerischen Erfolg nicht gönnen wollten, beschäftigten sich noch Generationen von Schriftsteller, Journalisten und Juristen, Wissenschaftler, Experten und solchen, die es sein wollten, mit dem Phänomen May. Hermann Kant brach die wohl bekannteste Lanze 1965 in seinem Roman „Die Aula“. "O herrlicher sächsischer Lügenbold, gepriesen sei dein vielgeschmähter Name! Dank dir, du genialer Spinner aus Hohenstein-Ernstthal, dank dir für tausendundeine Nacht voller Pulverdampf und Hufedonnern. Heißen Dank für Äquatorsonne und Präriewind und Wüstensand und Steppengras, für Shatterhand und Hadschi, für Winnetou und Geierschnabel, ungeschmälerten Dank dafür, was immer sie dir auch nachsagen.“ 1988 lieferte Christian Heermann im Verlag der Nation mit „Der Mann der Old Shatterhand war“ eine der detailliertesten Biografien über Karl May, welches erst mit der „Karl-May-Chronik“ des Karl May Verlages 2006 getoppt werden sollte.

Fast einhundert Jahre nach dem Tod des großen Sachsen sind die Stimmen um Winnetou und Geierschnabel immer noch nicht verklungen. Nach den Aufregungen und juristischen Hickhack um den Nachlass Mays in den 1990er Nachwendejahren, hinterließ der „Schuh des Manitu“ 2001 mit 11,7 Millionen Kinobesuchern als einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme eine unübersehbare Spur. Der Karl May Verlag setzte verstärkt auf die Publikation zahlreicher, meist gelungener Sondereditionen wie „Karl-May-Atlas“ und „Traumwelten“. 2010 rief der Verlag mit prominenter Unterstützung den Schreibwettbewerb „Eine Feder für Winnetou“ ins Leben und die Krimireihe des ZDF „Soko Leipzig“ ermittelte im November 2011 im „Fall Gojko Mitic“.

Während das Erbe Karl Mays in seinen Werken zu finden ist, ist der Wigwam von Old Shatterhand zum „touristischen Mekka in Radebeul“ geworden. Karl May erwarb die Villa in der damaligen Kirchstraße 5 im November 1895. Bereits zu Lebzeiten empfing der Vielbeschäftigte seine Fans zwischen Jagdtrophäen, Mokkassins und Tomahawks. Heute sind unter dem Motto „Zwei Welten – Ein Erlebnis“ auf dem einstigen Wohngrundstück zwei in Europa einmalige Ausstellungen zu sehen.  Die ethnologische Indianersammlung der Karl-May-Stiftung „Indianer Nordamerikas“ zeigt seit 1928 in der „Villa Bärenfett“ mehr als 800 ethnographische Objekte und gilt als eine der wertvollsten Sammlungen dieser Art in Europa. Die „Villa Shatterhand“, das einstige Wohnhaus Karl Mays, ist in originaler Einrichtung zugänglich. Nach Vertragsabschluss im Juli 1994 der Karl-May-Stiftung mit Lothar Schmid erfolgt die Rückführung wesentlicher Teile des Nachlasses von Karl May gegen eine Zahlung von 3,5 Millionen DM. Am 30.März des folgenden Jahres werden Arbeitszimmer, Bibliothek und Empfangszimmer erstmals in der Geschichte, zusammen mit der umgestalteten Ausstellung „Karl May – Leben und Werk“ der Öffentlichkeit präsentiert.  

„Die beiden Ausstellungen sind von dem Geist der Völkerverständigung und der Toleranz gegenüber uns weitgehend fremden Kultur- und Lebensauffassungen getragen, einem Geist, dem sich auch Karl May verpflichtet fühlte.“ heißt es im Pressetext des Karl-May-Museums. Auszeichnungen wie der (Museums)Spezialpreis 2009 und das Zertifikat „Familienfreundliche Freizeiteinrichtung in Sachsen“ unterstreichen das sächsische Mysterium. Der Wigwam Old Shatterhands wird indessen anlässlich des 100.Todestages erweitert und neugestaltet. Ein neues Besucherzentrum, die Sanierung der „Villa Bärenfett“ und ein Erlebnispfad sprechen für die touristische Bedeutung Mays einerseits. Wirtschaftlich sind Mays Ideen in den jährlich 30.000 Besucher der Karl-May-Festtage und mehr als 7,8 Millionen Gäste des Karl-May-Museums seit der Gründung 1928 messen.

Winnetou-Büste

Der "edelste aller Indianer" wurde zum Symbol für wahre Völkerfreundschaft.

"Villa Bärenfett"

Mehr als 7,8 Millionen Gäste besuchten das Museum seit seiner Eröffnung 1928.

Indianerausstellung

Mehr als 800 ethnographische Objekte informieren über die Kulturkreise der Indianer Nordamerikas.