VANCOUVER 1 von 2
GASTOWN, ENGLISH BAY UND LYNN CREEK, BRASILIANER, FUSSBALL-WM UND BASEBALL
Skyline Vancouver von Stanley Park

Allein der weitläufige Stanley Park ist immer wieder eine Reise an die Westküste Kanadas wert.

Die Anlage mit ihren verwunschenen Lagunen, gepflegten Gärten und Wanderwegen durch einen der letzten Bestände von uraltem Regenwald an der Südwestküste liegt mit ihren Totempfählen und Sandstränden in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum.

Bei allen Reisen: Vancouver gehört zu den schönsten und aufregendsten Metropolen der Welt.

Presselandschaft

So weit das Land, so weit die Medienlandschaft. Es gibt eine Vielzahl regionaler Blätter, deutssprachiger und französischer Ausgaben. Eine Vielzahl an lokalen Radiosendern wechselt sich in Kanada ab. Die Reichweite der Sender ist allerdings iin der nördlichen Wildnis stark begrenzt und konzentriert sich um größere Siedlungen.

Vancouver empfing mich kühl und regnerisch. Es war einige Jahre her, seit ich das ersten Mal in der Pazifikstadt war. Ich hatte damals nur einige Stunden in Raincouver verbracht, wie die Stadt auch mit liebevollem Sarkasmus von seinen Einwohnern genannt wird. Die Vorbereitungen zu den Olympischen Winterspielen waren damals noch in vollem Gange; die Straße ins nahe Whistler ebenso im Bau wie die Modernisierung vom Stadtteil Coal Harbour. Vancouver schmiegte sich prachtvoll zwischen Coast Mountains und Pazifikküste und ich hatte damals beschlossen, die Stadt näher kennenzulernen.

Ein Sprachkurs sollte mir dazu die Gelegenheit verschaffen. Ich wollte meine Englischkenntnisse verbessern, Stadt und Menschen kennenlernen. Vernon, der viele Jahre als Drummer auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs gewesen war, bot mir für meinen kurzen Aufenthalt Quartier in einem seiner Gästezimmer in der Knight Street.

Vancouver ist eine Kombination aus lässiger Lebensweise, kulturellem Angebot und faszinierender Landschaft. Die junge Stadt, deren frühe Entwicklung eng mit dem Cariboo Goldrausch zusammenhängt, ist Kanadas Tor nach Asien geworden. Nach Peking sind es etwa 8.500 Kilometer; nach London nur eintausend Kilometer weniger. In den letzten Jahren hat sich nicht nur der Handel mit China stark intensiviert. Immer mehr Chinesen haben in Vancouvers Infrastruktur, Firmen und Glasfassaden investiert. Kanada war seit seiner Entdeckung eines der typischen Einwandererländer; der Anteil der chinesischen Migranten in Vancouver beträgt heute etwa dreißig Prozent. Vancouvers Chinatown ist inzwischen nur noch etwas für Touristen. Und während sich die Geschäfte in den Firmenzentralen von Downtown und West End verschoben haben, gehen die Hipster in Yaletown aus.

„Vancouver zum Träumen und Entspannen“, „Vancouver für Kunst- und Museumsfreunde“, „Vancouver für Genisser“, „Vancouverism“. Die Loblieder in den Reiseführern und Flyern überschlagen sich und locken jährlich Millionen Besucher in die Stadt, die als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt. Vancouvers Stadtplanung lässt auf jeden Fall bei jeder Landschaftsarchitektin das Herz höher schlagen. Ein Blick vom Vanier Park auf die Skyline mit den Bergen der Coast Mountains zeigt, was Vancouver so lebenswert macht; auf der Uferpromenade von Yaletown oder Coal Harbour begegnen sich Skater, Surfer und Kinderwagen, Sonnenanbeter und Geschäftsleute. Ein quirliges Mit- und Nebeneinander von Jung und Alt. 

Der Regen fiel in sanften Bindfäden vom wolkenverhangenen Himmel, ging in kurze Schauer über um wieder in grauen Niesel zu wechseln. Der Regen ist Vancouver berühmtestes Highlight. Ich nutzte die Gelegenheit und fuhr mit der Buslinie 14 hinaus zum Museum of Anthropology. Das 1976 eingeweihte Gebäude beherbergt die größte Sammlung von Kunstobjekten der Nordwestküstenindianer und immer wieder einen Ausflug wert. Eines der bekanntesten Werke ist die Skulptur des Künstlers Bill Reid „The Raven and the first men“. Es blieben die letzten Regentage. Der Sommer kam so schnell wie beständig und die Sonne strahlte in den nächsten Wochen ohne Vorbehalte vom blauen kanadischen Himmel.

Unsere Klasse war ein kleiner Mikrokosmos und sorgte für mehr zwischenmenschliche Völkerverständigung als jedes politische Kommuniqué. Die Ukrainerin Olena wollte in Calgary studieren und benötigte noch ihren Sprachkurs in Vancouver; der Ungar Ondrej arbeitete in der Gastronomie und hoffte auf ein kanadisches Arbeitsvisum. Leila, die Iranerin, lebte seit zwei Jahren mit ihrem Sohn in Vancouver, frischte ihre Englischkenntnisse auf und dachte an ihren Mann, der als Ingenieur nicht aus dem Iran herauskam. Der Slowake Tom arbeitete als Informatiker und hatte sich für ein halbes Jahr das Geld zusammengespart, um mit seinen Englischkenntnissen bessere Berufsaussichten zu haben. Dean kam aus Südkorea. Murilo und Flor aus China blieben einen Monat und Dani, die Journalistin aus Brasilien für zwei Monate um später in Dublin ihre Kenntnisse unter Beweis zu stellen. Mira, unsere Lehrerin, war selbst vor zwanzig Jahren aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Kanada ausgewandert.

Die Schulungsräume befanden sich etwas auseinandergezogen zwischen Downtown und Coal Harbour. Ich genoss den Sprachunterricht wie die Pausen, die ich mit einem einfachen Sandwich meistens am Harbor Park verbrachte. Der Blick auf die zum Greifen nahe gelegenen Berge, die beständig ein- und ausfliegenden Wasserflugzeuge und die entspannte sommerliche Atmosphäre waren besser als jedes Lernprogramm. 

Nach den Hausaufgaben eroberte ich mir Vancouver auf eigene Faust. Stanley Park mit Vancouver Aquarium, Second Beach und Ferguson Point, Lovers Walk und Totem Poles. Um ehrlich zu sein war ich im Grunde genommen nur wegen der Totempfähle nach Vancouver zurückgekommen. Die fotogen, bis zu zwanzig Meter hohen Pfähle waren die wohl schönste Ansammlung realer und mystischer Zeugnisse indianischer Traditionen. Gastown, das Geburtszentrum von Vancouver, lockte mit seinen Pubs, skurrilen Straßenmusikanten und  renommierten Einkaufsläden wie das Hill’s Native Art ebenso wie die alte Steam Clock an der nordöstlichen Seite der Kreuzung Water Street und Cambie Street. Ich genoss die Szenerie wie ein köstliches Lachsmenü mit einem herben Red Racer Ale. So beschaulich wie die Gegend zwischen touristischer Einfachheit von Burrard und Hamilton Street war, so herb und real lief das Leben der Obdachlosen und Drogenabhängigen rund um die wenige Meter entfernte East-Hasting-Street ab, die auch tagsüber ihren Tag bestritten.

Second Beach verleitete mich zum Baden im Pazifik wie die Kitsilano Beach; Granville Island zum shoppen wie die nahezu unzähligen überdachten Shopping Malls. Den besten Blick über Vancouver gab es nicht nur vom 169 Meter hohen Lookout Tower an der West Hastings Street, sondern kostenlos vom  Café des Empire Landmark Hotel in der Robson Street. Die Winterspiele waren vorbei, doch Vancouver boomte weiter.

Ich genoss die Gespräche mit Mira, Tom und Dani. Das ich Vernons Bad geflutet hatte, bleibt indessen eine andere Geschichte. Die Organisatoren der Sprachschule organisierten Partys, Ausflüge und Events um das kulturelle und zwischenmenschliche Kennenlernen zu fördern. Das Sommerprogramm sah Ausflüge nach Portland, in die Rocky Mountains, nach Victoria, Tofino und Seattle vor. Letzter Tagestour schloss ich mich an, was aber ebenfalls eine andere Geschichte ist.

Auch wenn Baseball nicht der Nationalsport Nummer Eins in Kanada ist, so war es doch ziemlich interessant, sich für Hotdog und Bier eine knappe Stunde anzustellen, amüsant den Pausenanimateuren zuzusehen und doch bis zum Schluss die Spielregeln nicht durchschaut zu haben. 

Jeden Tag legten am Vancouver Convention and Exhibition Centre Kreuzfahrtschiffe an, spuckten ihre Passiere aus, die sich wenige Stunden nach Gastown und Downtown ergossen. Die wenigsten von ihnen liefen die Burrard oder Howe Street bis zum False Creek hinunter; begegneten nicht den Pennern und Drogenabhängigen der Davie Street oder West Pender Street. So freizügig, liberal und regenbogenfarben wie Vancouvers Davie Street war, so offen war Kanadas Umgang mit Cannabis, der im Land öffentlich zugänglich war und immer wieder für Ärger mit den USA sorgte. Im Dunstkreis der West Hastings Street lebten, schnorrten und vegetierten die Verlierer, Obdachlosen und Drogenabhängigen auch im sonnigen Tageslicht Vancouvers. Nur wenige Gehminuten trennen die Idylle vom touristischen Gastown und die bittere Realität. Downtown Eastside ist so etwas wie „der Stachel im Selbstwertgefühl der Vancouverities“.

False Creek

Die Edelstahlkugel der Science World ist so etwas wie das Wahrzeichen von Vancouvers geworden.

Flying Vancouver

Zahlreiche Gesellschaften bieten sündhaft teure Flüge über die traumhaft schöne Küstenlandschaft.

Indianermaske

Im 1976 eröffneten Museum of Anthropology MOA beherbergt die größte Sammlung von Kunstobjekten der Nordwestküstenindianer.

Baseball

Die Vancouver Canadians gehören zu den kleinen Sportstars in Kanada.