SYMBIOSEN DER NATUR
ZWISCHEN NATUR- UND KULTURLANDSCHAFTEN

„Schauen wir doch der Natur einmal zu: Sie produziert in vielfältigsten Formen und Farben, ohne Müll, ohne Lärm und ohne permanenten Verbrauch von einmaligen Vorräten. Ist dieses Vorbild nicht auch für den Menschen erstrebenswert? Liegt in diesem stillen Kreislauf nicht das Geheimnis ewiger Existenz? Wie bewundernswert sind die Symbiosen der Natur, jene Lebensgemeinschaften zum beiderseitigen Vorteil. Wie beispielhaft ist das ausgewogene Geben und Nehmen aller Beteiligten …“ (S.Buchholz, Unsere Jagd, 1987)

Die Beziehungen der einzelnen Organismen, der Pflanzen- und Tierarten, unter- und zueinander, die sogenannten Vergesellschaftungen, basieren auf über viele Jahre hinweg entwickelte Verbindungen und stehen in einem vielfältigen und unübersehbaren Zusammenhang.

Nur schwer ist es auch heute möglich, trotz hochentwickelter Technologien, alle in der Natur vorkommenden Lebensgemeinschaften und –abläufe zu erfassen, geschweige denn zu überschauen. Dabei ist die Formenvielfalt so groß, daß beispielsweise noch nie alle Tierarten auf einer einzigen Wiese restlos ermittelt werden konnten.

So erhält jeder Landschaftstyp durch das Zusammenspiel bestimmter, nur hier vorkommender Pflanzen- und Tierarten, sein eigenes, charakteristisches Gepräge. Die Beziehungen innerhalb und außerhalb der Vergesellschaftungsformen können sich hemmend oder fördernd auf das einzelne Individuum auswirken. Solche Beziehungen sind beispielsweise das Paarungsverhalten beider Geschlechter einer Tierart, die Brutpflege, der Parasitismus, so beispielsweise bei Bandwurm und Wirbeltier, die Symbiose – Einsiedlerkrebs, Seeanemone, Biozönose – Ahorn-Eschen-Wald oder das Räuber-Beute-Verhältnis, welches eine wesentliche Rolle im Gleichgewicht der Natur spielt.

Seit Jahrtausenden hat der Mensch das Bild der Landschaft verändert. Aber immer wieder wird sie von einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren besiedelt, die sich angepasst und in das jeweilige Ökosystem eingegliedert haben. Welche Pflanzen- und Tierarten sind für bestimmte Landschaftsgebiete typisch? Was sind typische Räuber-Beute-Beziehungen? Ist es möglich, einzelne Vergesellschaftungsformen strikt zu trennen und wie siehe diese aus?

Über die Bedeutung des Waldes und die durch das Waldsterben hervorgerufenen Folgen für Pflanzen- und Tierwelt, besonders für den Menschen, wurde in den letzten Jahren viel geschrieben und diskutiert. Der Wahrheit entspricht es, dass Menschen schon Einfluss auf die Landschaft nahmen, bevor Mitteleuropa ganz mit Wald überzogen war. In der Bronzezeit, als die inzwischen berühmte Himmelsscheibe von Nebra auf dem Mittelberg an der Unstrut vergraben wurde, hatten sesshaft gewordene Bauern durch Brandrodungen  bereits kleine waldfreie Inseln geschaffen um diese mit der Zeit immer weiter auszudehnen. Trotzdem gab es um die Zeitenwende noch große Waldgebiete. Der Wald selbst ist eine vielfach verknüpfte Lebensgemeinschaft, eine Biozönose, deren Stoffe- und Energiewechsel sich über ein komplexes System, über eine große Zahl von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen vollziehen. Die Artenvielfalt an Pflanzen, Kräutern und Blüten im Urwald sicherte auch Huftieren wie Elche, Wisente, Ur- und Wildpferde, Rothirsch, Reh und Wildschwein eine reichliche Nahrungsquelle. Alle diese Huftiere konnten friedlich nebeneinander leben, weil jeder eine andere Nahrung bevorzugte. Hirsch und Reh waren im Vergleich zu den Verhältnissen in den heutigen Wirtschaftswäldern ziemlich selten. Nur gesunde, kräftige Tiere, die mit wachen Sinnen, aber doch relativ geschützt in der Gemeinschaft ihrer Familie die Jungen säugten, vermochten sich der Beutegreifer ausreichend zu erwehren. Der Huftiere größter Feind war vor allem der Wolf. Da den Wölfen, die in der Meute jagten, überwiegend Tiere zum Opfer fallen, die nicht ganz gesund oder noch sehr jung sind, ist gerade diese Auslese, wie inzwischen Biologen herausgefunden haben, für die Erhaltung einer optimalen Sozialstruktur und Gesundheit der Huftiere von großer Bedeutung. In noch heute erhaltenen, urwaldartigen Gebieten sind oft Wildschweine, zum Teil auch Rehe, die häufigste Beute. Rehe und Wildschweine sind mit ihrer Vermehrungsrate auf die Einwirkung durch Beutegreifer eingestellt, die fast nur Jungtiere und Schwächlinge, selten Individuen im Höhepunkt ihrer Kraft erbeuten. Würde der gesamte Nachwuchs groß, geriete der Bestand rasch an die Grenze seines Nahrungsangebotes. In einem solchen Fall sind davon die Tiere nicht mehr zu produktiv, ersetzen lediglich die Verluste und bleiben klein. Für beide, die Räuber wie die Beute, ist die Höhe ihrer Siedlungsdichte stets von der zur Verfügung stehenden Nahrung abhängig.

Durch die von den Menschen verursachten Eingriffe in das natürliche Ökosystem kam und kommt es immer wieder zur Beeinträchtigung der in diesem natürlichen Ökosystem lebenden Individuen. So waren schon zur Zeit der intensiven Rodungen, ab 750 v.Z. bis zum 13.Jahrhundert, die meisten Großtiere stark dezimiert oder, wie der Ur- oder Auerochse gänzlich ausgerottet. Tiere, wie Wildpferde, Wisent, Elch, Bär, Wolf und Luchs folgten. Diese hatten sich mit ihrer Vermehrungsrate auf wenige Feinde eingestellt und konnten die ihnen zusätzlich in hohem Maße vom Menschen zugeführten Verluste nicht ausgleichen. Schon 1541 wurde das erste Reservat für Wisente in Ostpolen eingerichtet, wo die Tiere nach wechselvollem Schicksal bis heute überlebten. Für Ur- und Wildpferde war es allerdings bereits zu spät, die Arten erloschen völlig.

Unsere Einstellung zu Raubtieren und Beutegreifern, wie sie besser genannt werden sollten, sowie Greifvögel und Eulen hat sich nach eingehenden Erforschungen ihrer Lebensweise in der letzten Zeit grundlegend gewandelt. Jahrhundertelang erbittert bekämpft, werden sie nun zunehmend gehegt und geschützt, da man ihre Bedeutung im Ökosystem erkannt hat. Trotzdem sind etliche Arten von der Ausrottung aufgrund zahlloser Monokulturen in unseren Wäldern und die Anwendung von Insekten- und Unkrautbekämpfungsmitteln, die allein wegen der Artenarmut in monotonen Forsten notwendig wurden.

Betrachten wir die vom Menschen geschaffenen Feld- und Wiesenlandschaften. Auch hier stellt sich die Frage, ob es ebenso wie im Wald ein eigenes, charakteristisches Gepräge gibt und eine - für das natürliche Ökosystem – so wichtige Räuber-Beute-Beziehung? Bevor vor etwa 6.000 Jahren die ersten Menschen mit Waldrodungen begannen, war Mitteleuropa großflächig bewaldet. Mitteleuropa ist schon seit jeher Kulturland, das heißt ständige Veränderung der Landschaft durch den Menschen. Diese Veränderungen vollzogen sich jedoch so allmählich, dass sich neue Lebensgemeinschaften herausbildeten und sich auf die veränderten Umwelteinflüsse einstellen konnten. Bei der Betrachtung von Feldern, Wiesen und Weiden begegnet man einer Vielzahl verschiedenster Tierarten. Käfer, Ameisen, Spinnen und Mäuse bestimmen das Geschehen am Boden. Aber auch Bienen, Schwalben und Greifvögel sind daran beteiligt. Die Umgestaltung des Landschaftsbildes verlangte auch eine spezielle Anpassung in Gestalt und Verhalten, die in langen Zeiträumen erworben wurden. Die Umwelt prägte die aus den verschiedenen Gebieten herstammenden Bewohner. So kommen die meisten Wiesenbewohner aus Mooren, von Ufern oder den Spülsäumen der Flüsse. Aber auch aus den osteuropäischen Steppengebieten oder aus den damals immer mehr schwindenden Wäldern stammen noch heute Großtrappen, Rebhühner, Wachteln und Feldhasen.

Przewalski-Pferd

Die Wildpferde gelten heute als die einzigen ursprünglichen Wildpferde ihrer Art.

Luchs

Auch die Luchse wurden vom Menschen über Jahrhunderte immer wieder gejagt.

Wisent

Nahezu ausgestorben waren Wisente, bevor sie in einzelnen Gehegen (besonders in Ostpolen) unter Schutz gestellt wurden.

Wolf

Der "böse" Wolf hatte es in den letzten Jahrhunderten besonders schwer. Seit seiner deutschen Wiedereinbürgerung in den 1990er Jahren scheiden sich die Geister am historischen Beutegreifer.