BAD DÜRRENBERG

Johann Gottfried Borlach prägte den Ort an der Saale wie kein anderer. "Wo Salzquellen sind, spürt man solches Gebirge, und die Salzquellen kommen aus demselben hervor. Soole ist ein Wasser, welches durch ein Salzgebirge gegangen ist, sich in selben gesalzen hat und mit dem Salze hervorkommt."

Zwischen Sole und Saale

"Seit dem vierzehnten Jahrhundert war die Gegend salzfündig, man hat später wiederholt Bohrungen niedergebracht, unter anderem in Schladebach, östlich von Dürrenberg, wo eine Zeitlang das tiefste Bohrloch der Welt war, über tausendsiebenhundert Meter. Lange schon vor diesem Tiefenrekord hatte ein Dresdner Bergrat namens Borlach den Dürrenbergern und ihrem Landesherrn, dem sächsischen Kurfürsten, zu Salz verholfen. Borlach hatte vorher bereits die Salinen in Artern und Kösen eingerichtet und sich auf ausländischen Salzlagern umgetan, ehe man ihn saaleabwärts schickte. Dürrenberg gehörte, soviel muß man dazu wissen, zum Hochstift Merseburg, welches 1815 vom Königreich Sachsen zu Preußen kam, daher also konnten die Dresdener Auguste ihren Wunsch nach Salz befriedigen, wo später preußisches und dann anhaltinisches Recht galt.

Johann Gottfried Borlach hat lange nach Sole gebohrt, erst nach Jahren kam er in beträchtlicher Tiefe auf eine Quelle, die heute, nach mehr als zweihundert Jahren, unvermindert fließt. Er legte die Dürrenberger Saline an mit Pumpwerken, Solebehältern, Siedehäusern; bei fünfundzwanzigtausend Tonnen jährlich wurde sie einer der wichtigsten Salzlieferanten auf deutschem Boden.

Wer früher als Ortsfremder durch die Stadt lief, konnte merkwürdiges Zubehör der Salzsiedekunst entdecken, großflächige überdachte Holzschiffe zum Beispiel, in denen die Sole gespeichert wird, oder die Holzschornsteine auf den Siedehäusern, aus denen weiß der Wasserdampf abzieht. Am auffälligsten und weithin zu sehen: die Gradieranlage. Wer Zahlen mag, hat es einfach: fünf Gradierwerke mit ursprünglich 1821 Meter Länge, das letzte sogenannte fünfte Gradierwerk 1821 gebaut. Ein Gradierwerk sieht aus wie ein Hochhausblock, dessen Wände mit schwärzlichem Dornengestrüpp verkleidet sind. Die Sole wird bis aufs Dach gepumpt und rieselt über das Schwarzdornreisig, wobei die Schmutzpartikel hängen bleiben. Die Sole wird dadurch gereinigt, außerdem erhöht sich ihr Salzgehalt, weil beim Abtröpfeln über die Dornen Wasser verdunstet. Dadurch wiederum wird die Luft in der Umgebung der Gradieranlage stark salzhaltig, und da Erkrankungen der Atemwegedurch salzhaltige Inhalationen gebessert werden, baute Dürrenberg etwa hundert Jahre nach Borlachs fündiger Bohrung sein erstes Badehaus. Solbäder und Inhalationen wurden anfangs vor allem für die Kinderheilkunde genutzt. Um ein Modebad zu werden, zahlreiches Publikum anzuziehen, dazu war der Ort zu dörflich, um 1896 zählte er gut drei Dutzend Wohnhäuser mit zusammen zweihundertzweiundzwanzig Einwohnern, ein Flecken in reizloser Umgebung: kein Hügel, kein nennenswerter Baumbestand, kein See. Immerhin kosteten zu dieser Zeit zehn Bäder neun Mark; wenn also ein Drucker, der im benachbarten Leipzig einen Wochenlohn von nicht einmal fünfundzwanzig Mark hatte, eines seiner Kinder zur Kur schicken wollte, mußte er schon den Notgroschen angreifen, so er ihn hatte. Wer wirklich auf Geld saß und ins Bad reisen wollte, fand sich von Dürrenbergs Prospekten eher gewarnt als geworben: „Geräuschvolle üppige Vergnügungen, wie sie große Badeorte bieten, Corsos, Doppelkonzerte mit Brilliantfeuerwerken, glänzende Reunions und italienische Nächte dürfen hier nicht gesucht werden.“ Nur alljährlich an jedem ersten Sonntag nach dem 15.September hatte Dürrenberg sein großes Ereignis, da wurde nach alter Tradition die austretende Sole gemessen, und nach dem Verlesen der Lebensbeschreibung des seligen Borlach begann auf dem Platz am fünften Gradierwerk das Brunnenfest mit Karussells, Wurstbuden, Schießständen, Lostrommeln …

Mit einem Anflug von Wehmut lese ich, was die Heimat meiner Kindheit nicht mehr ist: die Stadt des Salzes. Denn genau zweihundert Jahre nach Borlachs fündiger Solebohrung hat der VEB Saline die Salzproduktion, zuletzt noch neunhundert Zentner täglich, eingestellt. Die Sole, die unvermindert austritt mit dem Salzgehalt von vierzehn bis sechszehn Prozent, wird jetzt über Rohrleitungen ins Leuna-Werk gepumpt, wo sie zur Aufbereitung von Kesselspeisewasser benötigt wird. Deshalb also kein Wasserdampf mehr aus Holzschornsteinen, verfallende Soleschiffe, Salinegebäude als Lagerhallen. Wieso aber noch das zerstäubende Rieseln an den Gradieranlagen?

Hier hat man einen Mittelweg zwischen den Forderungen der Industrie und jenen der Medizin eingeschlagen: Die Sole wird, ehe sie nach Leuna fließt, über das Schwarzdornreisig geleitet, sie wird gereinigt, und der Ort behält seine heilende Bedeutung für Erkrankungen der oberen Luftwege. Durch den Betrieb der Gradieranlagen ist auch der eigentliche Sinn des Kurparks erhalten geblieben: inmitten starker Industriekonzentration eine grüne Insel mit reiner kühler Luft. So hat Dürrenberg zwar den Titel einer Salzstadt verloren, geworden ist dieser Ort zum Naherholungsgebiet für den Chemiebezirk Halle – Merseburg. Auch nachdem das Bad seit 1965 nicht mehr von der SVK beschickt wird, wird es weiter als Kurort geführt. Auf dem Golfplatz, den sich die I.G.-Farben-Intelligenz ein Stück saaleaufwärts angelegt hatte, wurde für die Bevölkerung ein Schwimmbad gebaut …"

(aus: Richard Christ, Ansichtskarten aus der DDR, Berlin und Weimar, 1974)

Geschichtlicher Abriss

Ca. 6500 v.Chr. Mit dem Fund der Dürrenberger Schamanin beim Verlegen einer Wasserleitung 1934 wird die frühe Besiedlung oberhalb der Saale nachgewiesen. Der Fund ist in Mitteleuropa einzigartig. Das Skelett ist heute im Museum für Vorgeschichte in Halle zu sehen

15.März 933 Schlacht bei Riade. Unter König Heinrich I. vertreiben die deutschen Kämpfer ein großes Heer Magyaren (Ungarn). Das historische Riade ist heute nicht mehr zu genau lokalisieren und wird an verschiedenen Orten an Unstrut uns Saale vermutet; der Hunnenstein im Kurpark soll aber an den möglichen Schlachtort bei Dürrenberg erinnern

5. Juli 993 erste urkundliche Erwähnung des Stadtteils Keuschberg durch Otto I.

Das Standesamt, das ehemalige Salzamt, ist als ältestes Steingebäude der Stadt bereits im Hochmittelalter als Königsgut nachgewiesen

1248 erste Erwähnung von Kirchdorf

1431 erste Erwähnung von Dürrenberg in einem Lehnbrief  des Merseburger Bischofs Johann II. Bose an Christoph von Schidingen

ein Lehnbrief für Dürrenberg und Puhrendorff (?) nebst Kirchdorff erhielt.[2]

1741 erste Bohrversuche des kurfürstlich-sächsischen Bergrat Johann Gottfried Borlach bei Keuschberg. 1763 erste erfolgreiche Soleförderung mit einem ständigen Solefluss mit 10,63 % Salzgehalt. 1765 Errichtung des Soleförderturms, den nach ihm benannten Borlachturm in unmittelbarer Nähe der Gradierwerke

1836 Errichtung der 4,5 Kilometer langen Tollwitz-Dürrenberger Eisenbahn und des ersten 133 Meter langen Eisenbahntunnel Deutschlands.

1845 Errichtung des ersten Badehauses

Am 22. März 1856 nimmt die Bahnstrecke von Leipzig nach Corbetha über Dürrenberg ihren Betrieb auf

1920 Bau der ersten Saalebrücke

1930 Bildung der Großgemeinde Dürrenberg durch den Zusammenschluss mehrerer kleinerer Gemeinden wie Keuschberg und Kirchfährendorf.

1935 Verleihung des Prädikates „Bad“  - seitdem heißt der Ort Bad Dürrenberg

1946 Verleihung des Stadtrechtes

1964 Einstellung des Badebetriebs, die Produktion von Siedesalz bereits ein Jahr zuvor.

24. Juni 2000 Inbetriebnahme eines neuen Solebrunnen

2003 erfolgt die Sanierung der ehemaligen Trinkhalle im Kurpark, die anschließend wieder für Soleanwendungen geöffnet wird

2008 wird der Stadt das Prädikat „Staatlich anerkannter Erholungsort“ verliehen.