TRÖBSDORF BURGSCHEIDUNGEN

Man schreibt das Jahr 531. Das Frühmittelalter steht in den Anfängen und das byzantinische Reich erreicht unter Kaiser Justinian I. seine größte Ausdehnung. Das mächtige Reich der Thüringer indessen reicht von der Donau bis zur Altmark, als sich an der Unstrut eine blutige Massenschlacht anbahnt.  

Königshort, thüringische Äxte und Sachsenschwerte

Es ist die Geschichte stolzer Könige und der Ehrgeiz einer schönen Frau. Die Geschichte von Liebe, Macht und Verrat, die das thüringische Reich und seine Kämpfer unter den wuchtigen Hieben sächsischer und fränkischer Schwerter fallen lässt. In der thüringischen Königsburg Skidingi. In Burgscheidungen.

Die Quellen sind dreifach und doch nicht sicher. Die „Historia Francorum“ des Bischofs Gregor von Tours, das Klagelied „De Exidio Thuringiae“ des fränkischen Bischofs Venantius Fortunatus aus der zweiten Hälfte des 6.Jahrhunderts, und die „Res gestae Saxonicae“ des sächsischen Mönches Widukind aus der zweiten Hälfte des 10.Jahrhunderts. 

Mit unumstößlicher Sicherheit wird in neuerer Zeit nicht mehr behauptet, dass bei Burgscheidungen dem Thüringer Reich der Todesstoß versetzt wurde. Ein handfester archäologischer Nachweis für die Königsburg Scitingi fehlt noch heute. An der Stelle des vermeintlichen „thüringischen Troja“ steht heute mit unumstößlicher Sicherheit nicht weniger malerisch ein stattliches Barockschloß.

Die geschichtlichen Fakten indes stehen fest. 531 überfallen die Merowingerkönige Chlothar und Theuderich mit ihren Heeren das Thüringer Reich, verwüsten den Königshof und nehmen das Land in Besitz. Die überlebenden Frauen und Kinder werden in die fränkische Gefangenschaft geführt. Unter ihnen befinden sich auch die Kinder des thüringischen Königs Berthachar, Prinzessin Radegunde und ihr Bruder. Die Thüringerin wird die Frau Chlothars und gründet in Portiers ein Kloster. Sie wird heilig gesprochen und genießt noch heute bei katholischen Franzosen innige Verehrung. 

Die Sage über den Niedergang liest sich so: 

Herminafried  hatte nach dem Tod seines Vaters Basinus den nördlichen Teil des Thüringerreiches geerbt, der von der Unstrut bis zur Altmark reichte. Er baute sich eine Burg in „Scithingi“ und erhob den Ort zur Hauptstadt. Amalberga, seine Gemahlin, war mit der Beschränkung seiner Macht auf ein Drittel seines Reiches nicht einverstanden und bestürmte ihren Gemahl, seine Brüder Berthar und Baderich zu beseitigen und sich zum alleinigen Herrscher von Thüringen zu machen. Lange lehnte Herminafried  dieses Ansinnen ab. Als sie ihm aber eines Tages den Tisch nur zur Hälfte deckte und auf die Frage, was das zu bedeuten habe, voll Hohn antwortete: „Dem halben König der halbe Tisch“, erreichte sie, was sie wollte: Durch Meuchelmord räumte Herminafried  seinen Bruder Berthar beiseite, erhob sich „auch gegen seinen anderen Bruder und schickte im geheimen Boten an König Theoderich, um ihn einzuladen, mit ihm auszuziehen. „Wenn Du ihn tötest“, sagte er, „so wollen wir sein Reich zu gleichen Teilen teilen.“ Da verbanden sie sich, gelobten sich gegenseitig Treue und zogen in den Krieg. Als es darauf zum Kampf kam, unterlagen Baderich und sein Heer, und er selbst verlor durch das Schwert sein Leben. Theoderich jedoch zog nach dem Siege in sein Reich zurück. Sofort aber vergaß Herminafried  sein Versprechen und gedachte nicht mehr zu erfüllen, was er dem König Theoderich verheißen hatte. Deshalb brach unter ihnen alsbald große Feindschaft aus.“ (Gregor von Tours)

Herminafried  hatte sein Ziel erreicht, war Alleinherrscher in Thüringen und glaubte auf dem Gipfel der Macht zu stehen. Aber der Verrat bleib nicht ungesühnt. „Theoderich rief, an den Treuebruch des Thüringer Königs gedenkend, seinen Bruder Chlothar zu Hilfe und rüstete sich, gegen jenen auszuziehen. Als er die Franken versammelt hatte, sprach er zu ihnen also: „Gedenket, ich bitt euch, voll Ingrimm an die Schmach, die mir angetan. Wir haben eine gerechte Sache. Lasst uns also unter Gottes Beistand ausziehen. Da sie das hörten, wurden sie voll Ingrimm über solchen Schimpf und zogen einmütig alle nach Thüringen.“ berichte Gregor von Tours in seinen Analen.

An der Westgrenze seines Reiches trat ihnen Herminafried  entgegen. Es kam zur ersten blutigen Schlacht. Die Thüringer wurden geschlagen, flohen das Unstruttal abwärts, stellten sich den Verfolgern noch einmal „loco qui dicitur Runibergun“ – lange wurde vermutet, dass es sich um den Ronneberg bei Zingst handelt – und zogen sich, erneut geschlagen, fliehend nach der „urbs quae dicitur Scithingi sita super fluvium Unstrode“ zurück, wo Herminafried  seine befestigte Burg hatte. Wahrscheinlich ist es kurz vor dem Königshof zu einer dritten Schlacht gekommen. Von ihr berichtet der Chronist: „Dort wurden so viele Thüringer niedergemacht, daß das Bett des Flusses von der Masse der Leichname zugedämmt wurde und die Franken über sie, wie über eine Brücke, auf das jenseitige Ufer zogen.“ Mit dem Rest seines Heeres verschanzte sich Hermanfried auf seiner Burg.

Die Franken, selbst stark dezimiert, schlugen am Fuße des Burgberges ihr Lager auf, um den günstigsten Augenblick für einen Angriff auf die Feste abzuwarten. Dabei kam es zu einem Zerwürfnis zwischen den beiden Frankenkönigen, weil jeder die schöne Radegunde, die Tochter des ermordeten Thüringer Fürsten Berthar, die in die Hände der Franken gefallen war, für sich beanspruchte. Verärgert zog Chlothar mit seinen Truppen ab. Theoderich, der allein zu schwach war, um mit Hermanfried fertig zu werden, bat die benachbarten Sachsen um Waffenhilfe, die nur zu gern die Gelegenheit wahrnahmen. Nächtens überfielen die Sachsen, Verrat befürchtend, die Burg, metzelten die thüringischen Streiter nieder und streckten sie in Brand. „Es war jene Nacht voll Geschrei, Mord und Plünderung und kein Ort ruhig in der Burg, bis die purpurne Morgenröteemporstieg und einen verlustlosen Sieg erkennen lies. Am Morgen stellten sie an dem gegen Osten gelegenen Tore den Adler auf, errichteten einen Siegesaltar und verehrten ihre Gottheiten. So wurden drei Tage hindurch Siegesfeste gefeiert. Alles dies geschah, “ so berichtet Widukind, „wie es die Erinnerung der Vorfahren bestätigt, am 1.Oktober 531.“

Es ist Widukind, der zum ersten Mal Burgscheidungen erwähnt. Der 925 in Corvey geborene Sachse ist mit seiner Res gestae Saxonicae, der Sachsengeschichte, eine der wichtigsten frühmittelalterlichen Quellen, aber zugleich auch eine der umstrittensten. 400 Jahre nach der Schlacht zwischen Franken und Thüringern liegen die Quellen des Benediktiners selbst im Dunkeln. Seine „Sachsengeschichte des Widukind von Corvey in drei Büchern (Widukindi monachi Corbeiensis rerum gestarum Saxonicarum libri tres), die er der Tochter Kaiser Ottos I., Mathilde, der ersten Äbtissin des Stifts Quedlinburg widmete, wird aufgrund einer Reihe zweifelhafter Aussagen und seiner starken prosächsischen Haltung von der heutigen Forschung in vielen Teilen angezweifelt.

Die Schlacht im Blickfeld der modernen Forschung

„Excellenz!
Gestatten Sie mir bitte, daß ich mich Ihnen vorstelle: Mein Name ist Reinhold Andert, ich bin Bürger der DDR, Jahrgang 1944, habe Philosophie und Geschichte studiert und schreibe Bücher. In meinem letzten Buch geht es um die früheste Geschichte meiner Heimat Thüringen, um die Zeit vor etwa 1500 Jahren. Was wir über diese Zeit von den alten Thüringern wissen, verdanken wir einem "Franzosen", dem fränkischen Bischof Gregor von Tours:
Im Jahre 531 überfielen die Merowingerkönige Chlothar und Theuderich mit ihnen Heeren das Thüringer Reich, verwüsteten den Königshof und nahmen das Land in Besitz. Die Thüringer Prinzessin Radegunde fiel in ihre Hände und wurde die Frau Chlotars. Später gründete sie in Poitiers ein Kloster, wurde heiliggesprochen und genießt noch heute bei katholischen Franzosen innige Verehrung.
Etwa einhundert Jahre lang haben deutsche Historiker bereits versucht, den Ort dieser Schlacht, die Stelle des Königshofes und einen dort wahr­scheinlich vergrabenen Königsschatz zu finden. Bisher war es vergeblich. Nach Jahren intensivster Recherchen ist es mir gelungen, die Gegend zu identifizieren. Darin besteht der Inhalt meines Buches. Meine Theorie findet bei Historikern Zustimmung. Um aber die Stelle genau zu lokalisieren und den Königshof später von Archäologen ausgraben zu können, machen sich Luftbilder mit einer Multispektralkamera erforderlich. Diese Aufnahmen müssen etwa in eintausend Meter Höhe erfolgen. Über der in Frage kommenden Stelle liegt der französische Luftkorridor. Unsere Behörden sind in diesen Fragen sehr genau und befliegen ihn nicht.
Hätten Sie, Exzellenz, eine Möglichkeit, für diesen Fall eine Ausnahmeregelung zu veranlassen? Die Historiker und die Radegunde-Verehrer Ihres und unseres Lands wären Ihnen dafür zu großem Dank verpflichtet.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
Reinhold Andert“ (Der Thüringer Königshort, Dingsda Verlag, 1995)

Der im thüringischen Sömmerda aufgewachsene Reinhold Andert veröffentlichte 1995 eine neue, unglaublich moderne und pfiffige Sichtweise auf die Ereignisse in Thüringen. In seinem „Thüringer Königshort“ setzt er politisches Zentrum und Königshof der Thüringer nach Herbsleben. Doch selbst dem Autor bleiben viele Quellenlagen unsicher und so fragt er, was hätte geschehen müssen "wenn ich Herminafried gewesen wäre".

Burgscheidungen indessen wechselte in seiner langen Geschichte mehrfach die Besitzer. Heinrich I. erhob sie um 900 zur Reichsburg, 1069 gehörte „Scidingun“ zum Hochstift Bamberg. Die Edlen von Querfurt waren ebenso im Besitz der Anlage wie das Vitzthume von Apolda, die Fürsten von Anhalt, die Grafen von Wiehe, von Hoym und von Fleming und ab 1722 der sardinische Feldzeugmeister Graf Levin Friedrich von der Schulenburg. Er beauftragte den sächsischen Baumeister Johannes Daniel Schatz, das Schloss im Barockstil umzubauen.

Unter sozialitischen Fahnen fiel die Anlage einer neuen Eigentümerin zu. Fritz Kühnlenz schrieb dazu 1965: „Auf dem Schloß zog ein neues Leben und ein neuer Geist ein. Während auf dem Gut eine MTS (Maschinen-Traktoren-Station d.R.) eingerichtet wurde, fanden die Schloßräume als Ausbildungsstätte für Neulehrer, später als Erholungsheim des FDGB und als FDJ-Schule Verwendung. Seit dem 1.Januar 1656 dient das Schloß der Schulungsarbeit der Christlich-Demokratischen Union. Durch zweckmäßige Einrichtungen wurden alle Voraussetzungen geschaffen, um den Lehrgangsteilnehmern in Vorträgen und Selbststudium, fern von den Sorgen und Ablenkungen des Alltags, das Wissen zu vermitteln, das sie zu einer verantwortlichen Tätigkeit in Staat oder Partei brauchen. Geschichte, Politik und Ökonomie sind die wichtigsten Lehrfächer der „Zentralen Schulungsstätte Otto Nuschke“. Ein großer Saal für Veranstaltungen, Klub- und Aufenthaltsräume, nicht zuletzt der gepflegte, mit der Landschaft verbundene Park und die herrliche Umgebung lassen Lehrenden wie Lernenden den Aufenthalt auf „ihrer Burg“ zum bleibenden Gewinn und Erlebnis werden.“

Nach den Wendejahren erwarb ein hessisches Unternehmerpaar die Anlage über der Unstrut. Tore und Fenster wurden geschlossen, nur die Gemeinde sorgte dafür, dass die Parkanlage nicht zu wucherte. 2007 kam das Objekt wiederum in neuen Besitz. Das Konzept der neuen Eigentümer sind u.a Tagungen und Übernachtungen. Mit dem "größten Barockfest Deutschlands" lässt der Verein "Les Arts des Baroque" einmal jährlich alte Zeiten und mit einem respektablen Eintrittspreis auch etwas Dekadenz wieder auf dem Schloss aufleben.

Tröbsdorf

Tröbsdorf wird 876 als „Trebunesdorph“ in einer Fuldaer Urkunde genannt. Der Heimatkundler Hermann Größler vermutete im gegenüberliegenden Burgscheidungen die Schlacht der Thüringer 531, änderte Tröbsdorf in „Trubesdorph“ und leitete es von einem germanischen „drupo“, Schlachthaufen, ab. Kaum eine andere Gegend der Unstrut wurde in der Folge so gründlich nach vorgeschichtlichen Spuren untersucht. Der Historiker Reinhold Andert sah die Aktivitäten des vielgepriesenen Forschers kritisch und schrieb: „Mit aller Macht wollte er (Dr. Hermann Größler, A.d.R.) einen archäologischen Beweis seiner Burgscheidungen-These. Jahrelang durchwühlte er die Gegend, erbrach steinzeitliche Hügelgräber in der Tröbsdorfer Flur, sammelte jede Scherbe auf, erkundete Wüstungen und Flurnamen. Es erging ihm wie den Söhnen des Winzers in dem Gleichnis vom Schatz im Weinberg. Der Schatz wurde nicht gefunden, die umgegrabene Erde aber bescherte reiche Ernte.“ In den Schriften des Mönches Widukind von Corvey ist jedoch zweifelsfrei von einem „skidingi“ die Rede. Lag der Schlachtenort dann möglicherweise im benachbarten Kirchscheidungen?