HALLE

Bereits vor 6.000 Jahren werden die Salzquellen bei Halle genutzt und bilden die Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung der Siedlung. Die hier vermuteten Hermanuduren, Angeln, Warnen und Wenden nennen den Ort Dobrebora.

Die Saalefurt erhält als strategisch günstiger Übergang besonderes Augenmerk. 806 drängt König Karl, Sohn von Karl dem Großen, die Wenden über die Saale zurück und lässt beim Ort „Halla“ ein Kastell zum Schutz des Saaleüberganges anlegen, welches 100 Jahre später durch die Ungarn zerstört wird. König Heinrich I. startet ein ambitioniertes Wirtschaftsprojekt und beschließt im November 926 die sogenannte Burgenordnung. Zum Schutze der Saalegrenze und der Siedlung "Halla" lässt der Sachse auf dem hohen Porphyrfelsen oberhalb der Saale die Burg Giebichenstein errichten, um die sich auch zunächst die Ansiedlung entwickelt.

Der Sohn Heinrichs, König Otto I., überschreibt die Burg und Siedlung mit seiner Saline dem 968 gegründeten Erzbistum Magdeburg, zu dem Halle bis 1680 gehören wird. Die Magdeburger Erzbischöfe nutzen die Burg in den Folgejahren als Residenz.

Unter erzbischöflicher Vormundschaft entwickelt sich der Ort im 12.Jahrhundert sprunghaft. Auf Veranlassung des sagenhaften Wiprecht von Groitzsch, der 1118 bis 1124 Burggraf in Halle ist, werden die Wehranlagen der Stadt ausgebaut und eine neue Stadtmauer errichtet, 1263 erlangt Halle wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit, tritt 1280 der Hanse bei und gehört zu den wichtigsten Handelsplätzen Deutschlands. Die sogenannten Pfänner, freie Unternehmer denen es erlaubt ist Lehnsanteile an Solgütern in freies Eigentum zu überführen, bestimmen für Jahrhunderte die Geschicke der Stadt.

Um 1290 wird der Dom als Klosterkirche der Dominikaner erbaut und dient später Kardinal Albrecht als Hauptkirche des Erzbistums Magdeburg. Die Bauarbeiten am Roten Turm, der zum Wahrzeichen der Stadt wird, beginnen 1418 „zur Ehre Gottes und der Stadt Halle wie der ganzen Umgebung zur Zierde“. Der Hallesche Roland davor wird als Symbol für das Burggrafengericht bereits um 1250 aufgestellt. Er hat Schwert und Schild, auf dem der Spruch gestanden haben soll: "Frieden gent ick, Recht verbürg ick, Missetat würg ick". Der hölzerne Roland wird 1719 durch eine originalgetreue Sandsteinkopie ersetzt.

1479, dreizehn Jahre bevor Muhammad XII. Granada nach neunmonatiger Belagerung an die katholischen Könige von Spanien übergibt und Christoph Kolumbus Amerika entdeckt, tritt die Salz- und Saalestadt auf Forderung von Erzbischof Günter aus der Hanse.

Die Jahre Kardinals Albrecht von Brandenburg an der Saale werden prägend für die Stadt. Unter seiner Ägide werden Giebichenstein, Moritzburg und Stadt, die über Jahrhunderte das mittelalterliche Bild der Saalestadt prägten, umgebaut und Halle bekommt zahlreiche Renaissancesprenkel. Der Gottesmann aus dem Hause Hohenzollern sammelt irdischen Besitz wie Titel: Erzbischof von Magdeburg sowie Apostolischer Administrator für das vakante Halberstadt, Erzbischof von Mainz und als solcher Metropolit der Kirchenprovinz Mainz, Landesherr des Erzstifts Mainz, Kurfürst und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches und später Kardinal der Römischen Kirche. Der Kunstmäzen und Renaissancefürst wird als Förderer des Ablasshandels und ranghöchster geistlicher Würdenträger des römisch-deutschen Reiches einer der wichtigsten und populärsten Gegenspieler Martin Luthers. Albrecht nutzt in jenen Jahren den Ablasshandel zur Begleichung seiner Darlehen und spielt so ungewollt der Reformation in die Hände. Die scheinheiligen Methoden durch den Ablassprediger Johann Tetzel, der im Namen Albrechts in den Bistümern Halberstadt und Magdeburg tätig ist, veranlassen Martin Luther 1517 zum Wittenberger Thesenanschlag. Der Kardinal, der dem Humanismus wohl geneigt ist und 1515 sogar Ulrich von Hutten nach Halle an seinen Hof geholt hatte, sperrte sich den Veränderungen, beteiligte sich im Juli 1525, zwei Monate nach der Schlacht von Frankenhausen, an der Gründung des antilutherischen Dessauer Bundes und schloss 1538 mit seinem Bruder Joachim den Halleschen Bund gegen den Schmalkaldischen Bund protestantischer Fürsten und Städte. Albrecht, der während der Bauernunruhen aus Halle geflüchtet war, erlaubt trotzdem seinen protestantischen Untertanen die freie Religionsausübung, wird jedoch 1541 nach 27 Jahren Residenz von der Moritzburg vertrieben und stirbt 1545 auf der Martinsburg Mainz.

1529 ließ Kardinal Albrecht die Marktkirche "St. Marien" und die "Getrudenkirche" bis auf die Türme abreißen und die heutige Marienkirche errichten, die später zur Taufkirche Händels wird. Auf Anregung Martin Luthers, der hier dreimal predigte, wird 1561 sie Marienbibliothek gegründet. Sie enthält heute die älteste Sammlung von Kirchenschriften Deutschlands. Luther selber wurde bei der Überführung seines Leichnams von Eisleben nach Wittenberg 1546 in der Marktkirche aufgebahrt. In jenen turbulenten Jahren wird die Salzwirkerbrüderschaft gegründet.

Die Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges sind so heftig, daß sich die ehemals reiche Stadt Halle erst zwei Generationen später, nach der Übereignung an das Kurfürstentum Brandenburg 1680, langsam erholen wird. 1625 besetzen Kaiserliche Truppen unter Wallenstein die Stadt, 1637 brennt die Moritzburg aus.

1694 wird die hallesche Universität mit zunächst vier Fakultäten durch den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. prunkvoll eröffnet. Die „alma mater halensis“ entwickelt sich gemeinsam mit den 1698 gegründeten Franckeschen Stiftungen zu einem der deutschen Zentren bürgerlicher Frühaufklärung. 1721 wird die Königliche Saline gegründet, die 1868 an die hallesche Pfännerschaft übergeht, so dass die alten Produktionsanlagen auf dem Hallmarkt abgebrochen werden. Später, 1967, wird hier das heutige Halloren- und Salinemuseum eröffnet.

Nach dem Sieg der Franzosen über Preußen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt marschieren die Franzosen in der Stadt ein, die 1807 dem Königreich Westfalen angegliedert wird. Die Universität wird aufgrund ihrer nationalistischen, eigentlich patriotischen Haltung, für einige Jahre geschlossen. Aufgrund der Gebietsänderungen auf dem Wiener Kongress 1815 erfolgt 1817 der Zusammenschluss der Universitäten Wittenberg und Halle zur Vereinigten Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg, die 1933 zur "Marin-Luther-Universität" wird.

Danach reihen sich die städtischen Ereignisse wie gewohnt weiter aneinander. 1842 wird das Gefängnis der Stadt, der Rote Ochse, als Straf- und Besserungsanstalt eröffnet. 1859 wird auf dem Markt das Händeldenkmal zum 100. Todestag des halleschen Komponisten von Liebhabern seiner Musik gestiftet. 1882 fahren die ersten Pferdebahnen als Vorläufer der Straßenbahnen durch die Saalstadt. Halle wird Pionier bei der Einführung des ersten elektrischen Straßenbahnnetzes Europas, das im April 1891 seinen Betrieb aufnimmt.

Die Ereignisse des 20.Jahrhunderts hinterlassen an der Saale immer wieder blutige Spuren. Die Kämpfe zwischen Linken und Rechten kumulieren im lokalen Bürgerkrieg. Anfang März 1919 rückt das Freikorps Maercker auf Befehl der Reichsregierung in Halle ein, um den USPD kontrollierten halleschen Arbeiterrat zu entmachten und die Streiks niederzuschlagen, die wenige Tage zuvor von Halle ausgegangen war und das gesamte mitteldeutsche Industriegebiet erfasst hatten. Drei Dutzend Menschen sterben bei den Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Soldaten in den folgenden Tagen. Der Kapp-Putsch, von DNVP und DVP, Stadtoberen und dem Oberbürgermeister Richard Robert Rive, begrüßt, fordert noch mehr Opfer. Einwohnerwehr, Studenten und Soldaten liefern sich, mit Panzerautomobilen, schweren Minenwerfern und Artillerie ausgerüstet, im März 1920 heftige Gefechte mit den von USPD und KPD mobilisierten Arbeitermilizen. Die Gemetzel treiben einen tiefen Spalt zwischen die Hallenser, deren linke und rechte Lager sich politisch radikalisieren.

Halle entgeht im Zweiten Weltkrieg weitestgehend den Flächenbombardements der Amerikaner und Briten und bezahlt letztlich den Terror aus der Luft mit etwa 1.300 Toten und Zerstörungen zwischen Hauptbahnhof und Stadtmitte sowie im südlichen Stadtgebiet in Richtung der Leuna-Werke. Am 17. April 1945 wird die Stadt von amerikanischen Truppen besetzt, die Anfang Juli die Saalestadt für die nächsten 47 Jahre an die Sowjetunion übergeben. Halle wird Hauptstadt der Provinz Sachsen, die 1947 im Land Sachsen-Anhalt aufgeht und später, im Jahre 1952, Bezirkshauptstadt des Bezirks Halle.

Die nahegelegenen Werke von Leuna und Buna benötigen Arbeiter und Angestellte und Halle dehnt sich über die alten Stadtgrenzen immer weiter aus. Die Bauarbeiten an Wohnstadt-Süd beginnen 1959, später kommt die Wohnstadt Nord sowie die Silberhöhe hinzu. Am 15. Juli 1964 legte Horst Sindermann, erster Sekretär der SED-Bezirksleitung Halle, den Grundstein für den Bau der „Sozialistischen Stadt der Chemiearbeiter“. Großzügig geplant mit Kaufhallen, Ambulatorien, Apotheken, Post und Gaststättenkomplexen, Schulen, Kindergärten und Sportanlagen, Kino und einer Rennbahn, selbständig in der Verwaltung und doch kam „Ha-Neu“ mit seinen „Arbeiterschließfächern“ nie über den Status einer Schlafstadt für die im Schichtrhythmus der Chemieanlagen lebenden Chemiearbeiter und deren Familien hinweg. Die Altstadt von Halle verliert indessen in den 1980er Jahren durch flächenhafte Abrisse zum Teil wertvolle historische Bausubstanz.

Noch vor Jahresfrist der Wendeereignisse, findet am 28. Oktober 1990 in Dessau die konstituierende Sitzung des neuen Landtages von Sachsen-Anhalt statt. Die Volksvertreter der ehemaligen Bezirke Halle und Magdeburg entscheiden, welche der Städte die Hauptstadt des wiederbelebten Sachsen-Anhalt werden soll. Selbst Dessau hatte sich zur Wahl gestellt und der 700-Einwohner-Ort Memleben an der Unstrut war in die Schlagzeilen geraten, als er sich werbetechnisch geschickt mit dem Verweis auf seine Historie als neue Landeshauptstadt anbot. Das Ergebnis ist bekannt. Halle unterliegt knapp mit acht Stimmen und Magdeburg wird zur Kapitale. Das anhaltende Städtesterben geht trotz aller Beteuerungen auch an der Saalestadt nicht vorüber, die, Treuhand und sozialer Marktwirtschaft gedankt, zwischen 1990 und 2005 etwa 80.000 Einwohner verliert. 2001 wird Halle Mitglied des 1980 neu gegründeten Städtebundes Neue Hanse.