ITALIEN 3 von 4
LA DOLCE VITA, MONTEPULCIANO UND MEDICI, SPÄTE STRAFE AUS SIENA
Der Raub der Sabinerinnen

Die Skulptur des flämisch-italienischen Bildhauers Giovanni Bologna in der Loggia dei Lanzi gehört neben anderen Werken aus den Uffizien zu den unendlichen Sehenswürdigkeiten Florenz'.

Die heutige Hauptstadt der Toskana setzte die Maßstäbe für europäische Kunst und Kultur und prägt bis heute das Bild der Renaissance.

Assassin's Creed II

In modernen Computerspielen dient Florenz mit seiner reichhaltigen und von Intrigen, Macht und Ehre geprägten Geschichte als faszinierende Kulisse.

Einige Kilometer hinter Venedig trennte ich mich wieder von Goethes Spuren und fuhr die Adriaküste gen Süden. Ich machte um Ravenna, der alten Kaiserresidenz, einen Bogen, da mich bereits die vielen Plattenbauten der Randbezirke schreckten und fand bei Fano einen netten Zeltplatz am Meer. Für Rimini, das Sehnsuchtsziel vieler Deutschen, konnte ich ebenso wenig begeistern wie für den gesamten Abschnitt der Adriaküste. Eng beieinander liegen hier die Dörfer und Hotelbauten, die, zur Ehrenrettung gesagt, immerhin noch nicht mit spanischen Verhältnissen verglichen werden müssen. Hinzu kommt jedoch die Eisenbahnstrecke, die sich von Ravenna bis Termoli parallel zur Küste entlang zieht. Wie dem auch sei. Stets die Apenninen zu meiner rechten Seite, schwenkte ich hinter Giulianova nach Südwesten und schraubte mich in die Abruzzen nach L’Aquila. Die einst wichtige Stadt des Königreiches Neapel wurde wie die gesamten Abruzzen immer wieder von schlimmen Erdbeben heimgesucht. Erst im April 2009 wurde weite Teile der Stadt zerstört und 307 Menschen kamen ums Leben. Als ich L’Aquila erreichte, war die Innenstadt gesperrt, so dass ich weiterfuhr, ohne die Universitätsstadt zu besichtigen.

Monte Cassino erreichte ich in den späten Nachmittagsstunden. Das alterwürdige Kloster, die Keimzelle der Benediktiner, im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zerstört und neu aufgebaut, erlangte durch die schweren Kämpfe im Zweiten Weltkrieg traurige Berühmtheit in seiner jüngeren Geschichte. Benedikt von Nursia, der Namensgeber des Glaubensorden, gründete 529 die Anlage und legte die Ordensregeln fest. 577 durch die Langobarden zerstört, wurde die Anlage wieder aufgebaut, 883 von den Sarazenen erneut zerstört und nach dem erneuten Aufbau 1349 durch ein Erdbeben wiederum fast völlig zerstört. Getreu dem Leitsatz des Abtes Ildefonso Rea „Wo es stand und wie es war“, fand unmittelbar nach den Zerstörungen von 1945 der Wiederaufbau statt.

Bei Terracina fand ich einen einfachen Campingplatz. Die bärtige Hausmutter, eine gemütliche italienische Mama, versuchte mich davon zu überzeugen, dass der Strand hier am Tyrrhenischen Meer der Beste in ganz Italien sei und wunderte sich dass ich nicht auf der Suche nach signoras war. Ich überzeugte mich am nächsten Morgen von der guten Qualität des Meeres, fuhr über die alten römischen Heerstraßen nordwärts und ließ Rom links liegen um nach Tivoli zu fahren. K hatte mir immer wieder von der Villa Hadriana erzählt und ich war neugierig geworden. Doch davon wird noch die Rede sein.

Nördlich von Viterbo tauchte ich in die südliche Toskana ein. K, die hier einige Jahren gelebt hatte, schwärmte immer wieder von der Lieblichkeit der Landschaft, den mitunter skurrilen Menschen, kriminellen Machenschaften der Unternehmer und dem Machogehabe der Italiener. Endlich traf ich wieder auf Goethe, der sich jedoch nur auf der Durchreise befunden hatte.

„Wenn ich neulich von den Apenninen sagte, was sie sein könnten, das ist nun Toskana: weil es so viel tiefer lag, so hat das alte Meer recht seine Schuldigkeit getan und tiefen Lehmboden aufgehäuft. Er ist heugelb und leicht zu verarbeiten. Sie pflügen tief, aber noch recht auf die ursprüngliche Art: ihr Pflug hat keine Räder, und die Pflugschar ist nicht beweglich. So schleppt sie der Bauer, hinter seinen Ochsen gebückt, einher und wühlt die Erde auf. Es wird bis fünfmal gepflügt, wenigen und nur sehr leichten Dünger streuen sie mit den Händen. Endlich säen sie den Weizen, dann häufen sie schmale Sotteln auf, dazwischen entstehen tiefe Furchen, alles so gerichtet, daß das Regenwasser ablaufen muß. Die Frucht wächst nun auf den Sotteln in die Höhe, in den Furchen gehen sie hin und her, wenn sie jäten. Diese Verfahrungsart ist begreiflich, wo Nässe zu fürchten ist; warum sie es aber auf den schönsten Gebreiten tun, kann ich nicht einsehen. Diese Betrachtung machte ich bei Arezzo, wo sich eine herrliche Plaine auftut. Reiner kann man kein Feld sehen, nirgends auch nur eine Erdscholle, alles klar wie gesiebt. Der Weizen gedeiht hier recht schön, und er scheint hier alle seiner Natur gemäßen Bedingungen zu finden. Das zweite Jahr bauen sie Bohnen für die Pferde, die hier keinen Hafer bekommen. Es werden auch Lupinen gesäet, die jetzt schon vortrefflich grün stehen und im März Früchte bringen. Auch der Lein hat schon gekeimt, er bleibt den Winter über und wird durch den Frost nur dauerhafter.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Die untergehende Sonne verzauberte die sanften Hügel um Montepulciano und Montalcino in ein warmes Gemälde. Die engen Gassen des mittelalterlichen Städtchens Montepulciano lagen verwinkelt auf einer Bergkuppe und boten keine Übernachtungsmöglichkeiten. Etwas unterhalb der Ortschaft traf ich auf eine Italienerin, die mir das Wochenendhäuschen ihrer Nachbarin für eine Nacht empfahl. Das Orciatal, 2004 durch die UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben, ist ein „außergewöhnliches Beispiel aus der Renaissance-Zeit, das die Ideale einer ästhetischen Landschaft im höchsten Maße widerspiegelt.“, wie es in der Begründung für den Titel heißt. Ich fand dass dem nichts hinzuzufügen war und musste an K denken. Doch nicht umsonst erinnerte mich die Gegend an die Landschaft an Saale und Unstrut, die seit den frühen 1920er Jahren auch als „Toskana des Nordens“ bekannt ist.

Die gotische Klosterruine San Galgano lag etwas versteckt und geheimnisvoll zwischen den zahllosen Rebhängen und Olivenplantagen und versprühte ihren eigenen Charme.

„Die Ölbäume sind wunderliche Pflanzen; sie sehen fast wie Weiden, verlieren auch den Kern, und die Rinde klafft auseinander. Aber sie haben dessenungeachtet ein festeres Ansehn. Man sieht auch dem Holze an, daß es langsam wächst und sich unsäglich fein organisiert. Das Blatt ist weidenartig, nur weniger Blätter am Zweige. Um Florenz an den Bergen ist alles mit Ölbäumen und Weinstöcken bepflanzt, dazwischen wird das Erdreich zu Körnern benutzt. Bei Arezzo und so weiter läßt man die Felder freier. Ich finde, daß man dem Efeu nicht genug abwehrt, der den Ölbäumen und andern schädlich ist, da es so ein leichtes wäre, ihn zu zerstören. Wiesen sieht man gar nicht. Man sagt, das türkische Korn zehre den Boden aus; seitdem es eingeführt worden, habe der Ackerbau in anderm Betracht verloren. Ich glaube es wohl bei dem geringen Dünger.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Siena stand seit Jahrhunderten als gotische Studentenstadt der florentinischen Galanterie gegenüber, Palio stand gegen die Uffizien und die Loggia die Lanzi, der mächtige Campanile und Dom von Florenz gegen die gotische Architektur des Doms von Siena. Doch in den modernen mafiosen Strukturen stachen sich beide italienische Städte nicht aus. Noch ein Jahr nach meiner Reise erhielt ich je einen Strafzettel mit einer gepfefferten Zahlungsaufforderung. Die reine Abzocke hatte ich augenscheinlich einem Straßenschild und vielen Kameras zu verdanken, die ich aufgrund ihrer geringen Größe oder ihres nicht Vorhandenseins nicht erkannt hatte. Berlusconi schien mir plötzlich allgegenwärtig und die Schönheiten von San Lorenzo, der Piazza della Signoria, vom Ponte Vecchio und Giardino di Boboli verblassten im Nachhinein.

Es waren meine letzten Stunden in der Toskana, die dank ihrer landschaftlichen Reize ihre Anziehungskraft nicht verloren hat. Es kam wahrlich nicht von ungefähr, dass bereits die alten Langobarden in den Süden aufgebrochen waren, um den kalten Wintern nördlich der Alpen zu entgehen. Und kriminell scheint mir heute auch das Abzockverhalten deutscher Gemeinden und Städte zu sein. Also „La Dolce Vita“, was nützt es, sich im Nachgang aufzuregen?

„Den Dreiundzwanzigsten früh, unserer Uhr um zehne, kamen wir aus den Apenninen hervor und sahen Florenz liegen in einem weiten Tal, das unglaublich bebaut und ins Unendliche mit Villen und Häusern besät ist. Die Stadt hatte ich eiligst durchlaufen, den Dom, das Baptisterium. Hier tut sich wieder eine ganz neue, mir unbekannte Welt auf, an der ich nicht verweilen will. Der Garten Boboli liegt köstlich. Ich eilte so schnell heraus als hinein. Der Stadt sieht man den Volksreichtum an, der sie erbaut hat; man erkennt, daß sie sich einer Folge von glücklichen Regierungen erfreute. Überhaupt fällt es auf, was in Toskana gleich die öffentlichen Werke, Wege, Brücken für ein schönes grandioses Ansehen haben. Es ist hier alles zugleich tüchtig und reinlich, Gebrauch und Nutzen mit Anmut sind beabsichtigt, überall läßt sich eine belebende Sorgfalt bemerken. Der Staat des Papstes hingegen scheint sich nur zu erhalten, weil ihn die Erde nicht verschlingen will.“ (J.W.v.Goethe, Italienische Reise)

Toskana, Monte Amiata

Schon seit dem frühen Mittelalter locken die sanften Hügel der Toskana Siedler, Auswanderer und Touristen an.

Toskana, Orcia-Tal

Das Orcia Tal, seit 2004 Teil des Weltkulturerbes, im Hinterland von Siena mit seinen ästhetischen Hügeln inspirierte zahlreiche Künstler.

Siena, Palazzo Publico

Die heute stark von der italienischen Gotik geprägten Stadt ist berühmt für ihr Pferderennen, das Palio di Siena.

Florenz, Dom

Im Gegensatz zum gotischen Siena ist Florenz das Paradebeispiel einer Renaissance-Stadt (im Bild: Dom Santa Maria del Fiore)

Florenz, Ponte Vecchio

Die Stadt am Arno befindet sich seit jeher in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Rivalität zu Siena.