JORDANIEN - KÖNIGREICH AUF SAND GEBAUT
AMMAN, PETRA, WADI RUM UND LAWRENCE VON ARABIEN
Petra

Die Königsstadt der Nabatäer ist das Highlight des Nahen Ostens, Filmkulisse und seit Jahren vom Zerfall bedroht.

Presselandschaft

Das Königreich gilt für seine Medienfreiheit als Musterland des Nahen Ostens.

Jordanien, so heißt es, ist die Schweiz der Araber. So ließ es sich auch Amman, die Metropole des Königreiches, nicht nehmen, uns mit Schnee zu begrüßen. Einer der seltenen Schneefälle hatte zu Weihnachten das ganze Heilige Land ins Chaos gestürzt. Zwischen den grauen Wohnblöcken der jordanischen Hauptstadt, die sich  wuchernd am Horizont verloren, schmolzen die letzten Schneereste am Silvestertag dahin. Zahllose Minarette streckten ihre Kuppeln in den kühlen Morgen. In der Ruhe der frühen Stunden gingen etliche Straßenkehrer im Stadtzentrum ihrer Arbeit nach und täuschten über den Schmutz im übrigen Land hinweg. Die Einnahme des irakischen Grenzpostens im Herbst 2014 durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ und die Berichte darüber ließen mir meine Reise ins Königreich Jordanien wenige Monate zuvor wieder lebendig werden.

Der Krieg ist näher, als vermutet. Der Tourismus, wichtige Einnahmequelle der jordanischen Wirtschaft und bereits seit dem syrischen Bürgerkrieg um 75 Prozent eingebrochen, wird weiter unter den brutalen Schlachten der Nachbarländer leiden. Die allgemeinen Warnungen des Auswärtigen Amtes wurden inzwischen durch den konkreten Hinweis, Reisen in das syrisch-jordanische Grenzgebiet sowie in den Nordosten des Landes in der Grenzregion zum Irak zu vermeiden, ergänzt (Stand Mai 2015).

Im September 2014 schrieb der deutsch-jordanische Journalist Yassin Musharbash in „Die Zeit“ über Jordaniens Grenzgebiete. „Der IS will alle Grenzen im Nahen Osten abschaffen. Die Staaten seien Produkte des Kolonialismus. Der natürliche Zustand sei der des Kalifats, eines Gottesstaates, der alle Muslime vereint. ... Jordanien wäre heute kein Staat, wenn Europas Mächte ihn nicht gewollt hätten. Ebenso wenig  der Irak oder Syrien, der Libanon oder Saudi-Arabien. Sie wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Konkursmasse des Osmanischen Reiches geschnitten. Einige dieser Grenzen wurden mit Lineal und Bleistift gezogen. Die jordanisch-irakische Grenze ist so eine; schnurgerade, könnte sie auch 40 Kilometer nordöstlich oder 90 Kilometer südwestlich liegen. ... Jetzt ist auf der einen Seite Frieden. Und auf der anderen Seite Krieg. Wieviel Autorität können solche Grenzen haben? ... Im ganzen Nahen Osten, nicht nur in Jordanien, sind ältere Erzählungen lebendiger als die gegenwärtigen Staaten. Die Staaten sind jung, die Familien, Stämme und Handelsbeziehungen älter. Man muss kein Dschihadist sein, um so zu empfinden.“

Von Amman sind es 300 Kilometer bis zur irakischen Grenze im Nordosten. Der Highway 10 führt schnurgerade durch die Wüste, der Asphalt von der Hitze verworfen und rissig, flankiert von schwarzen Gesteinsbrocken. Stundenlanges Nirgendwo. Unsere Fahrt indessen endete etwa 220 Kilometer vor der irakisch-jordanischen Grenze im Wüstenschloss Qasr al-Azraq. Die sogenannten Wüstenschlösser gehören zu den touristischen Attraktionen Jordaniens; manchmal nur mehr Ruinen, manchmal mit UNESCO-Geldern frisch renoviert, aber alle meist ab der Hauptwege. Von Qasr al-Azraq sind heute noch die schwarzen Basaltruinen zu bewundern. Das alte Jagdschloss wurde ursprünglich von den Römern ab 300 n.Chr. in der Oase Azraq errichtet und in ihrer Geschichte immer wieder erobert. Während des arabischen Aufstandes richtete im Winter 1917 hier Lawrence von Arabien sein Hauptquartier ein. Das Weltkulturerbe Qusair 'Amra lag eine halbe Autostunde weiter; etwa 70 Kilometer von Amman und in frühen Zeiten zu weit in der Wüste für die orientalischen Bilderstürmer. Erhalten geblieben sind so über die Jahrhunderte Fresken von außergewöhnlicher Schönheit und Seltenheit. Die alte Karawanserei Qasr Kharana erinnerte mich an die Abenteuer der Abrafaxe aus den alten DDR-Mosaiks mit ihrem Erzfeind Don Ferrando.

Auf dem Rückweg nach Amman passierten wir in den Vororten der Hauptstadt die Flüchtlingsquartiere, die Jordanien seit über 30 Jahren den Palästinensern zur Verfügung stellt. Seit den blutigen Unruhen in den Nachbarstaaten überschlägt sich die Situation von Monat zu Monat und gebiert weitern Unfrieden. Muslime gegen Muslime. Deutsche, Franzosen, Engländer und Belgier gegen die eigenen Nationen und Glaubensbrüder. Allah oder Gott, Buddha oder Manitu; keiner von ihnen würde es wollen das in seinem Namen Blut vergossen würde. Das wusste selbst Karl May vor über 100 Jahren. Von Glaubenskrieg kann inzwischen keine Rede mehr sein.

Die Mosaiken der ältesten Landkarte in der St. Georgs Kirche von Madaba standen auf unserem Programm ebenso wie der Berg Nebo. Der Blick auf das Heilige Land fiel in den Nebel; ich konnte die Verzweiflung Moses nachfühlen, der den Überlieferungen nach das „Gelobte Land“ zwar sah aber nie erreichte. Betlehem lag wie Jerusalem knapp 50 Kilometer entfernt, nah, doch unerreichbar auf der westlichen Seite des Jordan. Der Jordan, über den wir geflogen waren, trennte seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges das jüdische Israel von den Arabern und das Heilige Land in zwei ständig blutende Teile. Das obligatorische Bad im Toten Meer, etwa 420 Meter unter dem Meeresspiegel liegend und mit bis zu 33 Prozent Salzgehalt, war ebenso notwendig wie ein Steinsouvenir, dessen Wasser- und Salzgehalt erst nach Jahren in meine Schreibtischplatte diffundieren sollte. Die intensive Nutzung des Jordanwasser für die Bewässerung der landwirtschaftlichen Nutzflächen sorgte in den letzten Jahrzehnten für heftige Debatten der Anrainerstaaten und gilt als Ursache des ständig sinkenden Wasserpegels. Ein heftig umstrittener Kanal zum Roten Meer soll in den nächsten Jahren für den Wasserausgleich sorgen.

Die ehemalige Kreuzfahrerburg Montreal erreichten wir in den späten Nachmittagsstunden. Die Ruinen der Anlage, 1118 von König Balduin II. von Jerusalem als Zentrum der Herrschaft Oultrejordain als Lehen an Roman von Le Puy übergeben, leuchteten in der blassen Wintersonne. Der berüchtigte Rainald von Chatillon war einer der letzten Kreuzritter, dem die Feste unterstand. In den Kreuzkriegen nutze Rainald die Burg, um die reichen Karawanen anzugreifen, die bisher die Straße nach Akaba ohne Schaden zu nehmen passierten. „Der Ayyubiden-Sultan Saladin griff ... das Königreich 1187 an, eroberte Jerusalem und ließ seinen Bruder al-Adil im gleichen Jahr auch Montreal belagern. Den Verteidigern wird nachgesagt, während der Belagerung ihre Frauen und Kinder für Nahrung verkauft zu haben, und dass sie aus Mangel an Salz blind geworden seien. Wegen des Hügels konnten die Angreifer keine Belagerungsmaschinen einsetzen, so dass die Burg erst nach zwei Jahren im Mai 1189 fiel.“ war in Wikipedia nachzulesen.

Gerasa, am besten und vollständigste erhaltene spätantike Provinzstadt im Nahen Osten, besichtigten wir am frühen Morgen, zwei Tage vor Silvester. Die Ruinen des römischen Jerash lagen recht einsam vor uns. Artemis-Tempel, Nymphäum, Jupiter-Tempel, Triumphbogen. Im etwa 90 n. Chr und für bis zu 5.000 Zuschauer errichteten Südtheater dudelten zwei Angestellte der Tourismusagentur einige britische Shantys auf dem Dudelsack und begleiteten sich dazu auf der Trommel. Der Sound im antiken Halbrund stand keiner modernen Surround Anlage nach. Die die Zeit überdauerten Säulen, Fresken und Rundbögen, Mosaiken, Mauern und Fahrwege strahlten in ihrem ruinösen Dasein eine ewige Erhabenheit aus. Ähnlich fühlte ich in Umm Qais, der schwarzen Basaltstadt Gadara östlich des Jordan. Knapp zwei Autostunden lag die für ihre zwei Theater bekannte Stadt nördlich von Gerasa, am Südende des Sees Genezareth. Wikipedia verschaffte mir einen kurzen Überblick: „Pompeius eroberte die Stadt für das Römische Reich im Jahr 64 v. Chr. Sie wurde Teil der Dekapolis. Zeitweise unterstand Gadara Herodes dem Großen, nach seinem Tod im Jahr 4 v. Chr. wurde es Teil der römischen Provinz Syria, später der Provinz Arabia Petraea. Als römische Stadt kam Gadara zu erheblicher Bedeutung. Unter Kaiser Hadrian wurde eine über 170 km lange Fernwasserleitung errichtet, das Gadara-Aquädukt. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Stadt christlich, bis sie nach der Schlacht am Jarmuk im Jahr 636 unter arabischen Einfluss geriet. Im 7. und 8. Jahrhundert wurde Gadara von schweren Erdbeben zerstört. Durch Münzfunde wird eine Besiedlung bis in das 13. Jahrhundert angenommen. Die Wiederentdeckung wird Ulrich Jasper Seetzen zugeschrieben.“ Mir fielen indessen auch die Bunker auf, deren Blick auf die gegenüberliegenden Golan-Höhen gerichtet war und die aus dem Sechstagekrieg von 1967 stammen. Das Heilige Land, hochgelobt und voll mit Kriegen, wird nie zur Ruhe kommen. Neben der schmalen Straße, die hinunter ins Jordantal führte, parkten einige getarnte Humvees, deren junge Besatzung die nahe Grenze beobachteten und uns freundlich zurückwinkten.

Die Felsenstadt Petra, holdes Kulturdenkmal und UNESCO Welterbe, das seit der Kreuzzüge kein Europäer mehr betreten hatte, beschritten wir wie die alten Nabatäern und hunderte andere Touristen durch den schmalen Sik, die 1,5 Kilometer lange Felsspalte, an dessen Ausgang sich das Khazne al-Firaun erhob. Wir ließen uns Zeit für die größte Sehenswürdigkeit des Nahen Ostens und die zahllosen Grabmale, in Fels getriebene Fassaden, Bäder, Theater und Felszeichnungen. Über die Hauptstadt wurde bereits so viel geschrieben, dass dies hier nicht mehr vonnöten ist. Auch wenn von den 628 Gräbern noch heute weniger als zehn erforscht sind. Die Beduinen, die mit Sondergenehmigung zwischen Schatzhaus und Hohem Opferplatz, Sextius-Florentinus-Grab und Palastgrab leben, treiben geschäftsgierig ihre Pferde, Kamele und Kinder hinter den Touristen hinterher; quälen Esel fettleibige Amerikaner den steilen Bergpfad durch das Wadi Kharareeb zum Felsentempel ad-Deir hinauf. Kein Klischee, nur traurige Wahrheit und ziemlich widerwärtig.

Wir übernachteten in Aqaba, dem einzigen Seehafen Jordaniens. „Im Juli 1917 konnte die Stadt durch die arabischen Stämme Faisals I. unter dem Kommando von Thomas Edward Lawrence nach einem Gewaltmarsch durch die Wüste Nefud eingenommen werden. Bis 1946 verblieb die Stadt als Teil von Transjordanien unter britischer Kontrolle ...“ (Wikipedia). Das Wadi Rum, Keimzelle der arabischen Revolte und Drehort des Films “Lawrence von Arabien” mit seinen ausgedehnten Sanddünen und Felsformationen, erwartete uns etwas diesig und mysteriös und erschien mir passend für die Tage kurz vor Silvester. Die jordanische Tourismusbehörde stellte uns einige Jeeps nebst Fahrer zur Verfügung, deren wichtigsten Pausen in einem arabischen Beduinenzelt mit Kamelritt und Picknick mit Tee mündeten. Bevor wir wieder auf den Desert-Highway Nummer 15 nach Amman kamen, stießen wir auf halber Strecke zwischen Highway und dem Bait Ali Camp auf die Reste einer alten Eisenbahn und einen Rolls-Royce-Panzerwagen, welche an die Zeiten Lawrence‘ erinnern sollten. Ein junges russisches Pärchen posierte in Militärklamotten martialisch und völlig deplatziert für das private Fotoalbum. Den Silvesterabend verbrachten wir in Amman jenseits von Silvesterböllern und übermäßigem Alkoholgenuss.

Musharbash schrieb in seinem „Zeit“-Beitrag über das Erbe Lawrence‘: „Jordanien hat sechs Millionen Einwohner und grenzt an den Irak, an Syrien, Israel/Palästina und Saudi-Arabien. Seit 1999 regiert Abdullah II., aus der Dynastie der Haschemiten, die zur Verwandtschaft des Propheten Mohammed zählen. Im Ersten Weltkrieg herrschte der Haschemit Hussein im Gebiet des heutigen Saudi-Arabien. Im Jahr 1916 verbündeten er und seine Söhne sich mit den Briten gegen die Osmanen. Die Briten versprachen, dass es nach dem Sieg einen arabischen Staat unter Führung der Haschemiten geben werde, von Damaskus bis Mekka. Aber die Briten versprachen viel. Den Zionisten. Den Franzosen. Anderen Arabern.“

„Die Sonne war hinter den westlichen Bergen verschwunden; der kleine Kessel selbst lag bereits im Schatten, aber die Felskulissen zu beiden Seiten des Eingangs, wie auch der stolze Koloß jenseits des Tals, waren vom Abendschein rotglühend überleuchtet. Der Boden rings um den Kessel war sandig und feucht, von dunklen Flecken niedern Buschwerks durchsetzt, während am Fuße all der Steilhänge Geröllblöcke lagen, größer als Häuser, manchmal in der Tat sich ausnehmend wie Bruchstücke von Festungswerken, die von den steilen Höhen ringsum heruntergestürzt wären. Vor uns führte ein viel begangener Pfad über die Randberge hin und wandte sich in gefährlichem Abstieg südwärts, längs eines flachen, mit einzelnen Laubbäumen bestandenen Rückens. Zwischen diesen Bäumen hindurch erklangen aus verborgenen Felsspalten seltsame Rufe: das langgezogene, singende Echo der Stimmen der Araber, die bei den dreihundert Fuß überm Talgrund entspringenden Quellen die Kamele tränkten.“ („Die sieben Säulen der Weisheit“, Thomas Edward Lawrence, 1926)

Straßenszene

Trotz der oft karg und trostlos anmutenden Landschaft bringt die intensive Bewirtschaftung des Jordanlandes seit Jahrtausenden exotisches Obst und Gemüse hervor.

Burgruine Montreal

Die Ruinen der ehemaligen Kreuzfahrerburg gehören heute zu den bedeutendsten Zeitzeugen der mittelalterlichen Kreuzzüge.

Nomaden am Berg Nebo

Noch heute leben zahlreiche Beduinen wie zu den Zeiten von Moses in Zelten.

Fotomodell Panzerwagen

Für zahungskräftige Touristen stehen im Wadi Rum martialische Requisiten für Fotoshootings der besonderen Art zur Verfügung.

Am Urnengrab, Petra

Das Weltkulturerbe, dass bis zu seiner Wiederentdeckung 1812 durch den Schweizer Jean Louis Burckhardt kein Europäer seit den Kreuzzügen mehr betreten hatte, ist heute das touristische Highlight jeder Reise in den Nahen Osten.