MEMLEBEN

In wehmütiger Einsamkeit liegt die alte Kaiserpfalz am Flusslauf. Nicht viel ist mehr übrig von der einstigen Pracht des Ortes. Verschwunden ist das Benediktinerkloster St. Maria, dessen Kirche im 10.Jahrhundert zu den größten Sakralbauten der Romanik gehörte. Allein der Chor der Kirchenruine atmet wie das offene Kirchenschiff noch einen Hauch der großen Geschichte. Und auch das „Kaisertor“ hat die Jahrhunderte überdauert. Der Ort strahlt eine Melancholie aus, der nur schwer zu entkommen ist.

Doch wer möchte das schon wirklich? Denn der Magie des Ortes ist es zu verdanken, dass man in die Zeit zurückversetzt wird, in welcher das Adelsgeschlecht der Liudolfinger die Geschicke des ostfränkischen Reiches lenkte und den Weg zur Etablierung des deutschen Reiches beschritt. Besser und energischer als es Konrad I. als erster deutscher König in den sieben Jahren von 911 bis 918 schaffte. 

Kaiserpfalz und Reichszentrum, Kloster, Krypta, Niedergang

Es ist die Zeit der alten Kämpfe. 10. Jahrhundert. Frühmittelalter und Feudalismus.

Das Jahrhundert der Ottonen beginnt mit der Erhebung Heinrich I. zum deutschen König. Das Reich der Franken, das nach dem Tode Kaiser Karls 814 schnell auseinander brach, wird ständig von den Ungarn bedroht. 933 sichert sich Heinrich mit einem Sieg über die berittenen Krieger (bei Riade an der Unstrut) und einem ausgehandelten neunjährigen Frieden sein Ansehen und seine Führungsposition im Reich. Diplomatisch bezeichnet sich der Enkel des Sachsenfürstes Liudolf „Primus inter pares“ („Erster unter Gleichen“).  

Heinrich festigt im Laufe der Jahre seine Oberhoheit. Er gewinnt 925 Lothringen zurück, errichtet 929 in Meißen eine Burg, schafft durch Bindung der sog. Stammesherzogtümer inneren Frieden im Reich und die Grundlage für die ottonische Hegemonie in Westeuropa. Und findet in seiner Pfalz Memleben die ersehnte Ruhe und Erholung.

Nach einem Schlaganfall im Juli 936 stirbt Heinrich in seiner Pfalz Memleben. Sein Sohn Otto, der als erster römisch-deutscher Kaiser in die Geschichte einging, starb hier am 7.Mai 973. Seinem letzten Willen und den mittelalterlichen Traditionen geschuldet, wurde sein Herz in der Kaiserpfalz bestattet. Sein Körper fand im Magdeburger Dom seine letzte Ruhe. Otto II., sein Sohn, empfing in Memleben die Huldigung der deutschen Fürsten. Die späteren Kaiser kamen nicht mehr so oft in die Pfalz an der Unstrut, so dass diese auch im öffentlichen Leben und in der Reichspolitik mehr und mehr in den Hintergrund trat.

Nach dem Tod des Vaters gründete Otto II. mit seiner Frau Theophanu ein Benediktinerkloster. 979 wurde das Kloster erstmalig urkundlich genannt. Aufgrund intensiver Förderung gehörte Memleben schon bald zu den vornehmsten Reichsabteien. So gehörte die Klosterkirche mit ihren 82 Metern zu den größten Gotteshäusern des ottonischen Reiches. Trotz der komfortablen Anfänge endete die Geschichte des Reichsklosters abrupt im Februar 1015. Kaiser Heinrich II. unterstellte Konvent und zugehörige Ländereien der osthessischen Abtei Hersfeld. Bis in das frühe 16.Jahrhundert gehörte Memleben trotzdem weiterhin zu den bedeutendsten Klöstern im mitteldeutschen Raum.

Mit den Baueraufständen 1525 endete die Zeit der Mönche in Memleben. Das Kloster wurde am 1.Mai geplündert und im Zuge der allgemeinen Säkularisierung 1551 der neugegründeten Landesschule Pforta übertragen. Die Klostergebäude wurden zahlreichen Umnutzungen ausgesetzt, umgebaut und in Teilen auch abgerissen.

Während des Dreißigjährigen Krieges wüteten auch die Auseinandersetzungen der Söldnerheere im Tal. Zwischen 1632 und 1642, nach dem Kriegseintritt Schwedens, wurde das Dorf mehrfach überfallen und geplündert. 1763, der Friede von Hubertusburg beendete soeben den Siebenjährigen Krieg,  wurde durch einen Brand fasst das ganze Dorf vernichtet. Nur die Kirche blieb verschont. Noch heute bestimmt der damalige Wiederaufbau das Dorfbild.

Die ehemalige Propstei blieb bis 1945 im Eigentum der Landesschule Pforte und wurde von verschiedenen Pächtern bewirtschaftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Domäne verstaatlicht und unter sozialistischer Fahne als Volkseigenes Gut (VEG) „Thomas Müntzer“ Memleben bis 1991 geführt. Basierend auf den besonderen historischen Gegebenheiten entwickelte sich hier ein Zentrum der Kultur auf dem Lande in Form von sogenannten "Kooperationsfestspielen". Die alljährlichen Großveranstaltungen wurden bald zu einem festen Bestandteil des Veranstaltungskalenders des ehemaligen Bezirkes Halle. Mitunter besuchten an einem Wochenende 10.000 Besucher den kleinen Ort. 1991 schlugen die neuen bundedeutschen Marketingmanager zu und Memleben bewarb sich um den Sitz der Bundeshauptstadt und begründete seine Bewerbung mit seiner außerordentlich bedeutsamen Geschichte.