SCHLOSS UND DOM MERSEBURG

Unmittelbar vor der entscheidenden Schlacht gegen die Ungarn 955 gelobt König Otto dem Tagesheiligen Laurentius „Wenn Christus ihn an diesem Tage in Gnaden Sieg und Leben gäbe, wolle er in der Burg Merseburg ein Bistum errichten und seine große, jüngst begonnene Pfalz für die Kirche ausbauen lassen.“ Am 10.August siegt das deutsche Heeresaufgebot unter des Königs Führung auf dem Lechfeld. Otto, nach dem ein ganzes Geschlecht benannt wird, wird 962 zum Römischen Kaiser gekrönt und legt den Grundstein für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Die Erhebung Merseburgs zum Bistum soll ihm jedoch erst nach langwierigen politischen Vorbereitungen 968 gelingen.

Deutsche Ostexpansion und Merseburger Grenzfeste

Die Jahre der Liudolfingischen Herrscherdynastie, die eben als Ottonen in die Geschichte eingehen, sind geprägt vom „Aufbau Ost“ und der weiteren Ausdehnung des ostfränkisch-deutschen Reiches. Angesichts der ständigen Ungarneinfälle erlässt bereits Ottos Vater Heinrich I. 926 eine „Burgenordnung“. Der König lässt systematisch Burgen anlegen und sie dauerhaft besetzen. Der Wehrdienst wird für jeden zehnten Mann eingeführt. Die „Burgenordnung“ ist die erste militärische Absicherung der Reichsgrenze. Auch die „Mersiburc“ wird um 930 befestigt und zur königlichen Pfalz ausgebaut.

Doch zurück in die Vergangenheit. Bereits in der Jungsteinzeit wird die Hochfläche am linken Ufer der Saale nachweislich besiedelt. Funde aus den frühen Besiedlungsjahren sind im Merseburger Museum ebenso wie Stücke aus der Zeit der Völkerwanderung oder der slawischen Besiedlung ausgestellt.

Schnell ziehen die Jahrhunderte vorüber. Für den Franken Karl den Großen wird die Verbreitung des Christentums wesentliches Ziel und Mittel seiner Herrschaft. Um den Stamm der Sachsen seinem Großreich zu unterwerfen, geht Karl, der Weihnachten 800 zum Kaiser gesalbt wird, missionarisch wie auch mit brutaler Gewalt gegen die Andersgläubigen vor. Die Sachsenkriege prägen 30 Jahre seiner Herrschaft. Letztlich kann Karl die Auseinandersetzungen für sich entscheiden. Um 780 gehört der Missionsstützpunkt Merseburg zum östlichen Burgensystem des fränkisch-karolingischen Großreiches, der wahrscheinlich von einem fränkischen Adligen verwaltet wird.

Ausgangspunkt der Missionierung des südöstlichen Teils des sächsischen Stammesgebietes, das südliche Ostfalen, sind die Reichsklöster Fulda und Hersfeld. Die materielle Grundlage wird durch den Königszehnten sichergestellt. Noch heute befinden sich die Zeugnisse der Missionierung in der Domstiftsbibliothek Merseburg. „Das Merseburger „Fränkische Taufgelöbnis“ ist eines der wenigen Zeugnisse seiner Art für die unter anderem von einer Frankfurter Synode des Jahres 794 bekräftigte Wertschätzung der Volkssprachen für die Zwecke der Heidenmission“ schreibt der Historiker Peter Ramm 2003. Niedergeschrieben wurden die Texte im Kloster Fulda um 820.

Etwa 30 bis 40 Jahre später wird zum ersten Mal der Ort als "Mersiburc civitas" im Hersfelder Zehntverzeichnis erwähnt. Eine exakte Datierung ist aufgrund des fehlenden Originals heute nicht mehr möglich. Das Reich Karls zerfällt nach seinem Tod 814 infolge der Erbteilungen rasch.

Der älteste Stadtteil Merseburgs, die vom späteren Bischof Thietmar so genannte Altenburg „antiqua civitas“, befindet sich zum größten Teil im Besitz des Lehnsherren „senioris“ Erwin. In dem Sachsen vermuten Historiker den für das Friesenfeld zuständigen Grafen. Nach seinem Tod fällt das strategisch wichtige Erbe an der sächsischen Südostgrenze seinen beiden Töchtern zu. 906 heiratet der sächsische Herzog Heinrich die bereits verwitwete Tochter Hatheburg "wegen ihrer Schönheit und der Brauchbarkeit ihres reichen Erbes". Drei Jahre später wird die Ehe wieder aufgelöst. Heinrich behält die Besitzungen, heiratet im selben Jahr die etwa 18 Jahre jüngere Mathilde, Tochter des westfälischen Grafen Dietrich von Ringelheim und gewinnt so entscheidenden Einfluss in Ostfalen und Engern.

Dem Aufsteiger Heinrich gelingt es, seine Macht zu sichern und auszubauen. 919 wird er zum deutschen König erhoben. Dem kommenden Jahrhundert drückt das Haus der Ottonen ihren ganz eigenen Stempel auf.

Kaiserpfalz, Christianisierung und altgermanische Zaubersprüche

Das Haus der Ottonen ist reich. Der Familie gehört im Großen und Ganzen das Land, welches heute Sachsen-Anhalt heißt. Erträge aus den Bergwerken des Harzes und weitreichender Handel vermehren den Reichtum. Die Kriegszüge gegen die militärisch unterlegenen Slawen bringen viel Geld. Gefangene werden als Sklaven nach Venedig oder Cordoba verkauft. Verwandtschaftliche Bande und Beziehungen in ganz Europa sichern die Macht.

„Mersiburc“. Heinrich I. lässt im südlichen Bereich des Hügels einen Königshof errichten, der sich schnell durch seine prunkvolle Hofhaltung und Leistungsfähigkeit einen Namen im Reich macht. Thietmar von Merseburg, der wie kein anderer die historische Sicht auf die Ottonen beeinflussen wird, lässt Heinrichs I. Pfalz in seiner Chronik als „antiquum opus Romanorum“, als römische Marsburg, hochleben. Nach dem mittelalterlichen Geschichtsschreiber Wipo war die Pfalz „die Küche des Reiches“. Ein verständliches Urteil bei Lieferungen von über 120 Rindern, 1200 Schweinen, 400 Gänsen, 2000 Hühnern, 400 Pfund Wachs, 200 Pfund Pfeffer und anderem mehr pro Jahr. Von den Gebäuden der Königspfalz scheint indessen nichts die Zeiten überdauert zu haben.

Nicht nur militärische Aspekte verhelfen Merseburg zu Aufstieg und Wohlstand im fortschreitenden Mittelalter. Am Fuße des Hügels gabelt sich die „via regia“. Der Königsweg führt nördlich nach Halle und Magdeburg und über die Saalefurt nach Meißen und Polen. Der wirtschaftliche Vorteil der Region liegt in seiner zentralen Lage auf dem europäischen Kontinent.

931 lässt Heinrich I. die ebenfalls zur Pfalz gehörende Kirche des Pfalzstifts St.Johannis des Täufers unmittelbar südlich des heutigen Doms einweihen.

Mit den Slawenzügen Heinrichs I. und der Verlegung der Militärstützpunkte östlich von Elbe und Saale verliert Merseburg seine Funktion als Ostgrenze des Reiches. Allerdings kommt es immer wieder zu grimmigen Grenzkriegen. Wie Widukind von Corvey in seiner „Sachsengeschichte“ berichtet, hatte die zur Grenzwacht gegen Sorben und Ungarn bestimmte „legatio Mesaburiorum“ ihren Sitz in Merseburg. Das aus Dieben und Räubern bestehende Strafbataillon, welches der König zum Kriegsdienst begnadigt hatte, fällt einem der ewigen Überfälle 936 zum Opfer.

Weitblickend regelt Heinrich I. 929 in seiner „Hausordnung“ die Erbfolge, indem er seinen Sohn Otto zum alleinigen Nachfolger bestimmt. 936 wird Otto mit knapp 24 Jahren zum König gekrönt. Die „temperamentvolle, unkonventionelle Art“ des Herrschers bringen ihm Kritik und Spott ein, der erst nach seinen politischen und kriegerischen Siegen verstummen wird. Urkundlich nachweisbar hält sich der Kaiser auf der Pfalz vier Mal auf. Wie bei anderen Herrschern auch, sind jedoch weitere Aufenthalte wahrscheinlich. So wird im April und Mai 939 Otto von seinem Bruder Heinrich auf der Merseburg belagert. Heinrich macht seinem Bruder die Herrschaft streitig; muss jedoch nach zweimonatiger Belagerung aufgeben. Otto I., der erst mit 30 Jahren Lesen und Schreiben lernt, zeigt sich seinem Bruder gegenüber ungemein nachgiebig und erhebt ihn trotz wiederholter Rebellion 941 zum Herzog von Bayern.

Etwa zu der Zeit, als Otto I. die Bistumsgründung zu Merseburg gelobt, schreiben Mönche im Kloster Fulda auf einer freien Seite des „Fränkischen Taufgelöbnisses“ heidnisch-germanische Zaubersprüche in althochdeutscher Sprache nieder. Die Handschriften verschwinden in der Bibliothek des Merseburger Domkapitels, bis sie 1841 durch den Historiker Georg Waitz zufällig entdeckt werden. Waitz übergibt die kurzen Sprüche, die von der Befreiung von Gefangenen und der Heilung von Verletzungen künden, einem der angesehensten Sprachforscher seiner Zeit. Jacob Grimm, der mit seinem Bruder Wilhelm durch die Märchensammlung bekannt wurde, würdigt den sensationellen Fund als Kleinod, „welchem die berühmtesten Bibliotheken nichts an die Seite zu setzen haben“. In einer überaus gelungenen und vielbesuchten Ausstellung werden 2004 die Zaubersprüche neben vielen anderen historischen Exponaten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Doch zurück ins noch junge Mittelalter. 965 stirbt Gero der Große und wird in Gernrode bestattet. Dem Markgraf, der die wichtigsten Stütze Ottos I. im östlichen Reich war und die Bistümer Havelberg und Brandenburg gründete, war unter anderem das Hassegau, der Raum Merseburg/ Eisleben, unterstellt.

968 wird das Stift Merseburg durch den Kaiser, Otto I. wurde 962 in Rom gekrönt, zum Bistum erhoben. Im selben Jahr gelingt es Otto I. auch, die Magdeburger Bistumsgründung gegen den Wiederstand des Halberstädter Bischofs durchzusetzen. Durch die zeitgleichen Gründungen der Bistümer Meißen 967 und Zeitz 968 sind jedoch von Anfang enge Grenzen gezogen. Das Bistum Halberstadt muss seine Besitzungen im Friesenfeld an Merseburg abtreten. Die Folge sind ständige Zänkereien und Auseinandersetzungen.

Hoftage, Merseburger Glanzzeit und Domgründungen

Erster Bischof von Merseburg wird 968 Boso aus dem Regensburger St.-Emmerams-Kloster. Der Mönch hatte sich für das Bistum entschieden, „weil das friedlich war“.

Im selben Jahr taucht in den Chroniken der Markgraf Günther in der Diözese Merseburg auf. Der Vater Ekkehards I., dem späteren Herzog von Thüringen, gehört zu den Verschwörern um Heinrich II. der Zänker, der nach dem Thron greift. 976 verliert er seine Mark, welche er jedoch 979 wieder zurück erhält. Sein Sohn Ekkehard I. besitzt ein enges persönliches Verhältnis zum König Otto III. und wird  985 Markgraf in Meißen-Merseburg-Zeitz. Ein kompliziertes Geflecht, deren Verstrickungen und Zusammenhänge auf den ersten Blick nur schwer nachzuvollziehen sind. Doch warum sollen politische Abhängigkeiten früher Jahre denen der Neuzeit nachstehen?

Otto I. feiert kurz vor seinem Tod 973 das Himmelsfest in der Merseburger Pfalz. Hier empfängt er auch eine Gesandtschaft aus Afrika, bevor er sich nach Memleben begibt, wo er am 7. Mai stirbt. Sein Sohn Otto II., der bereits 983 sterben wird, zieht Allstedt der Merseburger Pfalz vor (siehe Folge Schloss Allstedt).

971 folgt Giselher Boso auf den Merseburger Bischofsstuhl. „Wegen seiner beständigen und treuen Dienste“ dem Kaiser und dessen Frau Theophanu gegenüber, gelingt es dem Geistlichen, weitere Güter und Privilegien für den Merseburger Sprengel zu erlangen. Otto II. verleiht dem „bis dahin armen Bistum“ unter anderem „was die Mauer der Merseburger Urbs enthält mit den Juden und den Kaufleuten und der Müntze“.

Die Pfalz an der Saalefurt bleibt traditionell eng an die bayrische Linie der Ottonen gebunden. So zieht sich die Frau Heinrichs II. von Bayern, Gisela von Burgund, nach der Inhaftierung und Verbannung Heinrichs II. auf die Pfalz zurück. Auch im neuen Thronstreit 984 bleibt Merseburg Rückzugsort für den Zänker.

Das Merseburger Bistum führt, eingegrenzt von den anderen Bistümern, ein Schattendasein. Bereits 979/ 980 sind Pläne zur Auflösung des Missionsbistums zu erkennen. Wesentlichen Anteil daran hat Bischof Giselher selbst, der seinen Einfluss auf Kaiser Otto II. geschickt einzusetzen weis. 981 nutzt der junge Kaiser den Tod Erzbischofs Adalbert von Magdeburg, um  die Kirchenprovinz umzuorganisieren. Das Bistum Merseburg wird aufgelöst. Giselher erklimmt die Karriereleiter und setzt sich als Erzbischof von Magdeburg durch. Somit sind ihm die Bistümer Brandenburg, Havelberg, Meißen, Zeitz und Merseburg unterstellt. Das Merseburger Bistum wird zwischen Halberstadt, Magdeburg, Meißen und Zeitz aufgeteilt

Doch die Zeiten und politischen Ansichten ändern sich. Otto II. stirbt unerwartet 983 im Alter von 28 Jahren. Giselher verliert des neuen Kaisers Gunst und muss erleben, wie der Sohn Ottos II. die Wiedereinrichtung des Bistums Merseburg vorantreibt. Doch gelingt es ihm, die Umsetzung bis zu seinem Tode hinauszuzögern.

Mit der Inthronisierung Heinrichs II., Urenkel des ersten sächsischen Königs, beginnt im Jahr 1002 die wahre Blütezeit Merseburgs. Der bayrische Sachse wird sich 28 Mal urkundlich nachweisbar in der Pfalz aufhalten. Nach seiner Krönung am 07.Juni 1002 in Mainz begibt sich Heinrich II. auf den Umritt durch die Stammherzogtümer. Am 24. Juli erreicht er die Pfalz Merseburg. Einen Tag später erheben ihn die Sachsen, die in Mainz nicht anwesend waren, zu ihrem König. Die Heilige Lanze, die sich heute in Wien befindet, wird zur ideologischen Legitimation. Heinrich gelobt das Recht der Sachsen zu wahren und „nun ergriff Herzog Bernhard mit beiden Händen die Heilige Lanze und betraute ihn im Namen aller mit der Sorge um das Reich“ berichtet der spätere Bischof Thietmar.

An den Ostgrenzen herrscht ständiger Kriegszustand. Die immer wieder aufflammende Rebellion des Polenherzogs Boleslaw Chrobry wird die Regierungszeit Heinrichs II. überschatten. Merseburg wird für den deutschen König Ausgangspunkt zahlreicher Kriegszüge.

Im Februar 1004 kommt es zur sorgfältig vorbereiteten und feierlichen Neugründung des Bistums Merseburg. Wigbert wird zum Bischof ernannt. Erzbischof Tagino von Magdeburg geht bereitwillig auf die Forderungen Heinrichs II. ein und verfügt die Rückgabe der alten Merseburger Besitzungen. Doch zwischen Wollen und Können liegen Jahrzehnte. Selbst Thietmar wird es später nicht gelingen, alle Besitzungen wieder dem Stift zurückzuführen.

Thietmar von Merseburg, Dombauten und Kampf um die Krone

Vor 1.000 Jahren wird der Querfurter Brun in Merseburg durch Tagino zum Missionsbischof der Heiden geweiht. Gleichzeitig, es ist Sommer, lässt Heinrich II. seine sächsischen Truppen in der Pfalz gegen Boleslaw Chrobry aufmarschieren.

Im Jahr 1009 wird Thietmar in das Merseburger Bischofsamt berufen. Der Geistliche ist mit Brun von Querfurt verwandt. Beide werden an der Magdeburger Domschule erzogen (siehe Burg Querfurt). Thietmar berichtet voll Bewunderung über Bruns herausragende politischen Eigenschaften und seine Bildung. Als Brun am 09.März 1009 in den Masuren erschlagen wird, schreibt Thietmar begeistert den Märtyrertod auf.

Auf dem Merseburger Hoftag 1013 kommt es zum Friedensschluss mit Boleslaw von Polen. Der Herzog bekennt sich als Vasall für Polen und wird mit Lausitz und Miltzenerland belehnt. Vier Jahre später wird wieder gegen Boleslaw mobil gemacht.

Am 18. Mai 1015 legt der nun 40jährige Thietmar den Grundstein zu einem neuen Dom. Der Kaiser fördert den Bau reichhaltig. Die Verehrung, die Heinrich II. entgegengebracht wird, zeigt sich noch heute in zahlreichen Darstellungen an Dom und Schloss. Nach nur sechs Jahren Bauzeit wird der Dom am 01.Oktober 1021 eingeweiht. Zwei Einstürze folgen. 1042 wird das Bauwerk zum dritten Mal geweiht. Heute wird von Experten und Historikern die Entstehungszeit und Form der romanischen Hallenkrypta diskutiert.

„Deshalb drängt es mich, Thietmar, die Geschichte der einst weit und breit berühmten, jetzt aber von den Schatten der Vergessenheit umdunkelten Stadt Merseburg zu erhellen ...“, beginnt Thietmar, der am 01.Dezember 1018 stirbt, seine Chronik. Die Originalhandschrift, im letzten Weltkrieg bis auf einige Blätter schwer beschädigt, lagert heute in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden.

Mit Heinrichs II. Tod fällt 1024 die Herrschaft an die Salier und das Zentrum der Herrschaft verschiebt sich von Sachsen wieder nach Westen. Doch auch die salischen Könige halten Gericht an der Saale, rufen hier Hoftage ein. Sie vergeben Land und Privilegien oder entziehen ihre Gunst wieder.

Der Investiturstreit zwischen Kaiser Heinrich IV. und Papst Gregor um die geistliche und weltliche Herrschaft im Abendland gipfelt im Bußgang des Kaisers nach Canossa 1077. Doch sind die Auseinandersetzungen damit nicht beendet. Auch die deutsche Fürstenopposition erhebt sich gegen ihren König. Der Stern kaiserlicher Universalmacht sinkt langsam und unaufhaltsam. Unter wesentlicher Mitwirkung päpstlicher Legaten wie einer beträchtlichen Anzahl deutscher Fürsten wird Rudolf von Rheinfelden 1077 in Forchheim zum Gegenkönig gewählt. Doch Unterstützung soll der Schwabe nur durch die Sachsen erhalten. Das Merseburger Bistum unter Bischof Werner von Wolkenburg stellt sich in breiter Linie gegen Heinrich IV.

Mitte Oktober 1080 gelingt es Rudolfs Truppen, Heinrichs IV. Einheiten bei Hohenmölsen an der Elster zu schlagen. Doch Rudolf verliert in der Schlacht seine Schwurhand. Schwer verletzt wird er nach Merseburg gebracht, wo er noch am gleichen Tag stirbt. Im Chor des Merseburger Doms findet der Gegenkönig seine letzte Ruhestätte. Bis heute. Die bronzene Grabplatte ist die älteste erhaltene Bildgrabplatte des deutschen Mittelalters und trägt das Bildnis Rudolfs mit den Reichsinsignien.

1091 gründet der Merseburger Oberhirte Werner in der Altenburg an der Peterskirche ein Benediktinerkloster. Viel Wasser fliest in den kommenden Jahren die Saale hinunter. Heinrich V. erhebt sich gegen seinen Vater und setzt doch dessen Reichspolitik fort. Er ist der letzte Salier. Später wird die königliche Macht vom Haus der Staufer übernommen.

Die bekannte Welt befindet sich im Hochmittelalter und im Orient werden die vier Kreuzfahrerherrschaften Jerusalem, Antiochia, Edessa und Tripolis gebildet. Ins Deutsche Reich jedoch ist der Kreuzzugsgedanke noch nicht vorgedrungen.

Das Wahlrecht setzt sich nach dem Tod des letzten Königs Heinrich V. durch. Am 13.September 1125 findet in Aachen die Krönung des Sachsen Lothar III., Graf von Supplinburg, statt. Am 04.Juli 1133 krönt Papst Innocenc II. Lothar in Rom zum Kaiser.

Auch die Herrscher aus dem Hause der Staufer halten Hof in Merseburg. Wie der erste Stauferkönig Konrad III., der 1147-1149 am missglückten 2. Kreuzzug teilnimmt. Friedrich I. Barbarossa  reitet beispielsweise in den Jahren 1152, 1172 und Weihnachten 1181 in Merseburg ein. Selbst der 19jährige Friedrich II. ruft einen Hoftag an der Saale ein.

Doch die Glanzzeiten der Merseburger Pfalz gehen so sicher zu Ende wie die Notwendigkeit der Wanderherrschaft. Die lange Ära der Habsburger bricht an. Der letzte Hoftag in Merseburg durch Albrecht I. von Österreich im Januar 1302 ist heute nicht sicher nachweisbar.

Neuer Bischofspalast, Merseburgs Niedergang und Thüringischer Erbfolgekrieg

Am 05.März 1152 wird in Frankfurt am Main Friedrich I., einziger Sohn des Herzogs Friedrich II. von Schwaben, zum König gewählt. Doch die Macht des Herrschers liegt nicht mehr allein in seinen Händen. Heftige Auseinandersetzungen zwischen weltlicher und geistlicher Macht beherrschen die Reichspolitik. Die Kirche ist auf dem Weg zur neuen Supermacht. Das Armutsideal der Anfangsjahre hat sich ins Gegenteil verkehrt. Allerdings ist die Zeit des Hochmittelalters ebenso von neuen Reformbewegungen und dem theologischen Streit um das Ideal der Armut geprägt. Mit dem Verfall der Zentralgewalt des Königs etablieren sich in den folgenden Jahren selbständige, unabhängige Adelsherrschaften. Den größten Krach mit Friedrich I. leistet sich Heinrich der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen. In Mitteldeutschland wird das Geschlecht der Ludowinger eines der mächtigsten (siehe Schloss Neuenburg Freyburg). In die bisher spärlich besiedelten Grenzmarken im Osten dringen immer mehr Siedler vor und beginnen, das Land urbar zu machen. Brennpunkt der Weltpolitik bleibt jedoch Palästina.

Der Merseburger Bischofspalast wird in einer Urkunde des Jahres 1177 erstmals als „curia episcopi in civitate Mereseburgensis“ erwähnt. Die nächste Urkunde wird erst wieder 1238 „in camnate episcopalis curie“, in der Kemenate des Bischofs, ausgestellt. Das kleine Bistum spielt politisch gesehen nur eine bescheidene Rolle.

Papst Gregor VIII. macht Ende Oktober 1187 für den 3.Kreuzzug mobil. Die zerstrittenen Könige Frankreichs und Englands stellen gemeinsam mit dem greisen Barbarossa das größte Kreuzfahrerheer des Mittelalters zusammen. Es ist die Zeit der Legendenbildung und wahren Helden. Die Zeit von Robin Hood und deutscher Minnesänger, Gründungszeit der ersten Universitäten und des deutschen Ordens „der Ritter und Brüder des Deutschen Hauses unserer lieben Frauen zu Jerusalem“.

Doch in Merseburg ist vorerst die Erweiterung des entlang von Breiter Straße und Burgstraße gelegenen Straßenmarktes erforderlich. Der „Neumarkt“ wird 1188 gegründet. In den nun kommenden Jahren erfolgt der innerstädtische Ausbau Merseburgs. Der Geiselbach wird zum Gotthardsteich angestaut. 1218/19 lässt Bischof Eckhard innerhalb eines Jahres die Stadtmauer erbauen, die nun die Ausdehnung der Stadt für die kommenden Jahrhunderte festschreiben wird. Obwohl der Flecken an der Saale aus dem Zentrum der Politik verschwindet, kann er als Handelsplatz noch eine Zeitlang seine Popularität bewahren.

In der Zeit des großen Interregnum von 1256 bis 1273 annektiert der Merseburger Bischof Heinrich von Wahren das nördlich des Domes gelegene Gelände der Königspfalz und lässt seine eigene Residenz errichten. Das Schloss wird unter seinen Nachfolgern ausgebaut und dient nun als Unterkunft. Nach wie vor bleibt der gesamte Burgbereich befestigt. Im Gegenteil. Die Befestigungsanlagen werden im 15.Jahrhundert noch weiter verstärkt.

Nach dem Tode des letzten Ludowingers Heinrich Raspe versuchen verschiedene Parteien, möglichst große Stücke aus der ludowingischen Erbmasse herauszuschneiden. Der 1248 entbrannte thüringische Erbfolgekrieg hinterlässt auch in Mitteldeutschland seine blutige Spur und kennzeichnet auf Jahre Einwohner und Dörfer. Im Oktober 1263 stößt der Braunschweiger Herzog Albrecht auf wettinisches Gebiet vor. Seine Truppen verwüsten die Gegend um Naumburg/ Merseburg schwer, bevor sie in der letzten nennenswerten Schlacht am 27.Oktober bei Besenstedt, in der Nähe der Wettiner Stammburg geschlagen werden.

Die glorreiche und verklärte Zeit edler Ritter ist mittlerweile „modern“ geworden. Das Treiben der Raubritter nimmt Ende des 13.Jahrhunderts in den thüringischen Landen solche Ausmaße an, dass im Dezember 1289 König Rudolf von Habsburg seinen Hof nach Erfurt verlegt und gegen die „feinen Herren“ vorgeht. Über 70 Raubritterburgen werden am Ende seiner Strafaktion zerstört sein.

Nachdem der Traum vom Heiligen Land ausgeträumt ist, werden Kreuz und Schwert gegen die letzten Heiden Europas eingesetzt. Der Litauer-Kreuzzug wird zur Bewährungsprobe, in der besonders der Deutsche Ritterorden eine maßgebliche Rolle spielt. Zwischen 1305 und 1409 werden über 300 Kreuzzüge gegen die Litauer geführt, bei der nichts als verbrannte Erde übrigbleibt.

Hanse, Pest und Stadtbebauung, der Rabenbischof Tilo von Trotha

Die Welt des Spätmittelalters ist ins Groteske verkehrt. Die christliche Nächstenliebe ist keine mehr. Die Orden selbst pendeln zwischen Armutsideal und Machtanspruch. Der heilige Stuhl wird 1308 ins französische Avignon gestellt. Die Gier nach Macht, Reichtum und hemmungslosen Orgien hat mit der ursprünglichen Idee christlicher Nächstenliebe nichts mehr gemein. Während die großen Pestwellen über den europäischen Kontinent schwappen, erlangt der kirchliche Ablasshandel einen Höhepunkt. Die Inquisition beherrscht bereits seit fast 100 Jahren das tägliche Leben und legt sich bleiern über das Land.

Im Gegenzug zum allgemeinen Bevölkerungsrückgang, besonders auf dem Lande, treiben die Städte immer mehr zur Blüte. „Stadtluft macht frei“.

1350/51 haben die großen Pestströme den mitteldeutschen Raum erreicht. Halle, Merseburg und Sangerhausen werden unter anderen Städten stark betroffen.

Der soziale Unterschied zwischen Herren und Knechten soll für alle sichtbar sein und wird durch Kleiderordnung festgelegt. Den Bauern ist es unter Strafe verboten, sich anders als nach dem Gesetz grau oder schwarz zu kleiden. "Wer sollte uns den Acker bestellen, wenn ihr alle Herren wäret? Du musst sein, was Gott will", wird von der Kanzel gespottet.

Merseburger Daten. Das Jahrhundert zieht an dem Städtchen vorbei. 1426 unterzeichnet die Bürgerschaft gegen den bischöflichen Widerstand ihren Beitritt zur Hanse und wird fast 200 Jahre Bündnispartner bleiben. Doch wird es den Bürgern nicht gelingen, sich zu emanzipieren. Die Stadt fällt in die Bedeutungslosigkeit zurück, lediglich das „Schwarze“ Merseburger Bier, ist über die Stadtmauer bekannt.

Bischof Johann Bose lässt um 1430 die Domfreiheit „gegen die Stadt mit einer äußeren … sehr festen Mauer befestigen“. Zur Motivation des Würdenträgers tragen die ins Land einfallen Hussiten bei. Doch die durch Wälle geschützte Altenburg bleibt außerhalb der Stadtummauerung. Dem Bischof sind die um ihre Eigenständigkeit kämpfenden Bürger „seiner“ Stadt zeitlebens verdächtig.

Der Ausbau der Nordseite zum ehemaligen Königshof erfolgt um das Jahr 1450. Eckbastionen und Türme wachsen in den Himmel und unterstreichen die Wehrhaftigkeit der Bastion. Königstor und Amtstor bilden eine mächtige Doppeltoranlage zur Seite der Altenburg. Mehrfach muss der Hausmannsturm über den Toren erneuert werden. Das Heidentor auf der Nordseite wurde bereits auf Anweisung Friedrichs von Torgau in der 2.Hälfte des 13.Jahrhunderts mit einer Kapelle überbaut.

Das Mittelalter bleibt noch etwas länger in der Provinzstadt. Der Hirte kommt morgens vom Gelände der Altenburg in die Burg, bläst das Horn und treibt das Vieh des Bischofs, seiner Domherren und Vikare aus dem Stall zur Weide auf den Mühlanger.

Das deutsche Reich, zerrissen wie ein Flickenteppich, mit seinen Hunderten Herzogtümern und Kleinstherrschaftsbereichen, seinen Raubrittern und freien Reichsstädten, Strauchdieben und solchen, die es erst werden wollen, befindet sich zu einem Drittel in der Hand der Kirche. Es herrschen fast anarchische Zustände in diesem, auf seine Weise wieder modernem Land. Denn hier befindet sich auch der fortschrittlichste Bergbau des Kontinents und die präzisesten Uhren und Landkarten werden im deutschen Reich gefertigt.

Auch Merseburg versucht immer wieder den Anschluss zu behalten. 1473, fast 25 Jahre nachdem Johannes Gutenberg mit beweglichen Lettern dem Buchdruck auf die Sprünge hilft, wird in der Stadt an der Saale die erste Druckerei eröffnet.

Nachdem Tilo von Trotha 1466 auf dem Bischofsstuhl Platz nimmt, erhebt sich auf dem Burgberg wieder lauter Baulärm. Der „Rabenbischof“ wird eine der prägendsten Figuren in der Merseburger Geschichte. Der Rabenkäfig vor dem Westflügel des Schlosses lässt noch heute des Rabenbischofs Legenden leben.

Tilo lässt zu Lebzeiten den alten Bischofspalast durch einen großzügigen Neubau ersetzen. Die Baumaßen der kommenden Jahrhunderte sind noch heute zu sehen. Ende der 1470er Jahre wird mit dem Ostflügel begonnen, weitere Teile folgen nach und nach. So wird das Bauende des östlichen Teils des Nordflügels in einer Inschrift von 1483 verewigt.

Tilos Nachfolger setzen das Werk fort. Adolf von Anhalt lässt den Bau nach Westen fortsetzen und beginnt den Westflügel. Während der Amtszeit der Herren Vincenz von Schleinitz-Eulau und Sigismund von Lindenau werden die Arbeiten beendet. Doch unter Michael Sidonius Helding wird in den 1550er Jahren wieder fleißig gemauert und gezimmert. Heute lässt sich durch die Forschung nicht mehr feststellen, welchem Bauherren welche Umbauten zuzuschreiben sind.

Der neue Merseburger Schlosskomplex, Bauernnot und Bauerntod

Noch einmal einen Sprung zurück zum „Rabenbischof“. Ihm ist gewissermaßen als krönenden Abschluss des ehrgeizigen Baus die Domerneuerung zu verdanken. Um 1510 wird das ottonische Langhaus abgebrochen. Dem Bau von West- und Nordflügel folgen „Reisigenstall“ und weitere Wirtschaftsgebäude.

Die Gründe für den prachtvollen und aufwändigen Schlossbau in Merseburg vermuten Historiker in weltlichen Gründen, gehört doch das Provinznest inzwischen zu den kleinsten und farblosesten Bistümern des Deutschen Reiches. Die historische Kulisse bilden die Bemühungen des Bischofs, seine Reichsunmittelbarkeit gegen den Zugriff der Wettiner zu sichern.

Die „Leipziger Teilung“ 1485 wird zum Wendepunkt in der wettinischen Expansion. Das Hochstift wird dem Albertinischen Herzogtum Sachsen zugewiesen. Ernst, der ältere Bruder, behält vor allem die thüringischen Landesteile.

1495 versichert sich Bischof Tilo direkt bei Kaiser Maximilian I. der Reichsunmittelbarkeit seines Bistums. In einer Urkunde vom 29. Mai, ausgestellt in Worms, bestätigt Maximilian Tilos Belehnung mit den Regalien seiner Amtsvorgänger. Jahrhunderte später wird im Umschlag der Urkunde eine Aktennotiz von Tilos Beauftragten Felix von Berg gefunden, auf dem Wormser Reichstag 400 Gulden „In die Ampt usgegeben und distribuirt“ zu haben. Doch der politische Druck durch die mächtig gewordenen Wettiner wächst. Auch die innerdeutschen Ereignisse werfen ihre Schatten über die Merseburger Mauern.  

Noch lange bevor die Wende ihren Anfang nimmt, verleiht der Kaiser der Stadt Leipzig das Messeprivileg. Den fünf Bistümern um die neue Messestadt – Halberstadt, Magdeburg, Meißen, Merseburg und Naumburg – wird ab dem Hochsommer 1497 das Privileg künftiger Jahrmärkte entzogen.

Um den Bau der Peterskirche in Rom unter Papst Julius II. zu finanzieren, werden der sogenannte Peterspfennig und weitere Ablässe erhoben. Diese werden der äußere Anlass für den zivilen Ungehorsam Martin Luthers. Am 31.Oktober protestiert der Augustinermönch in der Provinzstadt Wittenberg gegen die Exzesse der korrupten Geistlichkeit. Luther bringt mit seinem Thesenanschlag, dessen historischer Ablauf,  nebenbei erwähnt, umstritten ist, die Reformation ins Rollen und forciert so eher ungewollt die Kirchenspaltung im alten Europa.

Im folgenden Jahr wird der 1146 heilig gesprochene Kaiser Heinrich II. zum Stifter und Schutzpatron des Merseburger Stifts berufen. „Im 1518. Jahre des Herrn führte der Ehrwürdige Herr Melchior von Zwitzschen, Domherr der Merseburger Kirche, das Fest der Überführung des hl. Heinrichs ein, … die Mittel verwaltet die Baukasse“ wird für die Nachwelt im Kalendarium des Domstifts festgehalten.

Luthers Protestbücher haben mittlerweile den gesamten Kontinent erfasst. Der Eislebener Bergmannssohn wird auch von deutschen Fürsten und Ratsherren gedeckt. Sollten sich Luthers Lehren durchsetzen, würde die Macht des Pontifex schwinden und den Klerus ebenso wie die Abgaben nach Rom überflüssig machen. Der Zugriff auf die Kirchenländer stände frei. Die Gunst der Stunde erkennend, wird die Rebellion gegen Rom aus politischen Gründen zur historischen Größe emporgehoben. 

1521. Am 23.Januar lässt Bischof Adolph von Anhalt Luthers Schriften zusammenkarren und auf dem Merseburger Domplatz verbrennen. Im April wird Luther nach Worms beordert. Vor dem 21-jährigen Kaiser Karl V. und den Großen des Reiches soll der Augustiner seine Schriften widerrufen, was er nicht tut.

Die Flamme der Reformation ist nun nicht mehr aufzuhalten. Rasend schnell greift sie um sich und erlebt ihren ersten blutigen Höhepunkt in den Bauernkriegen 1525 (siehe Schloss Allstedt). Merseburger Bürger und Bauern verfassen 16 Artikel, welche sich gegen ständig neue Frondienste und Abgaben richten. Die Unruhen greifen im Frühjahr auf die Stadt über. Adolph von Anhalt flieht überstürzt und sucht hinter den Stadtmauern Leipzigs Schutz. Am 08.Mai, eine Woche vor der Schlacht bei Frankenhausen, versuchen die Aufständischen, das stark befestigte Merseburger Domgelände zu stürmen. Doch die Revolte scheitert. Im Juni wird über die Gefangenen Gericht gehalten. Acht Bürger und Bauern werden zum Tode verurteilt und auf dem Merseburger Markt geköpft.

Schmalkaldischer Krieg und einer der „beeindruckendsten Schlosshöfe Deutschlands“

Georg der Bärtige, sächsischer Landesvater und treuer Anhänger der römisch-katholischen Kirche, geht mit den Aufständischen in seinen Landen streng zu Gericht. Erst nach dem Tod des Herzogs 1539 werden die Zügel des Glaubens gelockert. Georgs Bruder, Heinrich der Fromme, übernimmt im Juni die Regierung und führt im albertinischen Sachsen die Reformation ein.

Im Merseburger Hochamt gibt es jedoch erheblichen Widerstand. Noch im Mai lässt sich der amtierende Bischof Sigismund von Lindenau durch König Ferdinand, dem Bruder und späteren Nachfolger Kaiser Karls V., in Prag seine Rechte als Reichsfürst schriftlich bestätigen. Doch ist der Schutzbrief nicht das Papier wert, auf welcher die Unterschrift steht. Der Oberhirte muss Herzog Heinrich „freiwillig“ zusagen, nicht mehr an den Reichstagen teilzunehmen. Auch wenn der Sachse Heinrich verspricht, den Bischof bei Kaiser und Reich zu vertreten, sichert sich Sigismund ab und lässt sich vor jedem Reichstag vom Kaiser bestätigen, dass ihm durch seine Abwesenheit kein Schaden entsteht.

Heinrich, der erst später „der Fromme“ genannt wird, verbietet katholische Gottesdienste. Auch im Hochstift Merseburg setzt sich die Reformation durch. 1544 wird Heinrichs jüngster Sohn, Herzog August von Sachsen, zum Verweser des Stifts ernannt und bis zum Oktober 1548 die Geschäfte übernehmen.

Die Auseinandersetzungen zwischen protestantischen und katholischen Ständen werden immer härter ausgefochten. Während des Schmalkaldischen Krieges, der den protestantischen Bund und die katholischen Truppen auf den Schlachtfeldern gegenüberstehen sieht, fallen Hunderte im Namen des Glaubens auf beiden Seiten.  

Auch das reiche Merseburger Stift kommt an den Kriegsgeschehnissen nicht ungeschoren vorbei. Offiziere des sächsischen Kurfürsten plündern 1547 den Dom so gründlich, dass „von den reichen Schätzen … nichts geblieben“ ist. Auf Drängen des Kaisers wird nach dem Krieg Michael Helding Sidonius Bischof auf dem Merseburger Stuhl. Doch hält er sich selbst nicht lange und die Wettiner setzen sich faktisch in den Besitz des Hochstifts.

1557 beschreibt der Chronist Brotuff in seinen Aufzeichnungen den zur Domfreiheit angrenzenden Hof der Merseburger Burggrafen. Auch unter heutigen Gesichtspunkten scheint dieser, im Gegensatz zu verschiedenen anderen Aussagen, noch zu bestehen, galt doch das Grundstück im 17.Jahrhundert noch als „Burglehen“.

Etwa 25 Jahre nach der Niederschlagung der Bauernaufstände wird das Merseburger Benediktinerkloster teilweise abgerissen. 1575 kommt es zur Gründung des Domgymnasiums aus der alten Domschule.

Merseburg bleibt Provinzstadt. Das Städtchen versinkt immer mehr in die Bedeutungslosigkeit. Merseburgs Bewohner setzen sich aus Handwerkern wie Böttcher, Tuchmacher oder Schmieden und Ackerbürgern zusammen. Das unweit gelegene Leipzig dagegen schafft es, sich zu emanzipieren und zieht die Kaufleute an. Die Geschäfte und Messen finden jetzt in der Metropole zwischen Pleiße und Elster statt.

Der Merseburger spätgotische Schlossbau wird in den ersten Jahren des 17.Jahrhunderts grundlegend neu gestaltet. Die Baumaßnahmen prägen noch heute das Schloss und gehören zu den bedeutendsten Zeugnissen deutscher Spätrenaissance.

1604 stellt der Architekt Melchior Brenner sein Baumodell der neuen Merseburger Anlage inklusive detailliertem Kostenvoranschlag seinem Landesfürsten, dem Bauherrn und Stiftsadministrator Johann Georg I., vor. Die intensiven Vorbereitungen rentieren sich. Der Landesvater gibt grünes Licht und im Frühjahr 1605 wird das Mammutwerk begonnen. Unter der Leitung des Dresdner Baumeisters Brenners erhält das Schloss „die Harmonie von Gotik, Renaissance und Barock, die heute das Ensemble als einen der beeindruckendsten und stimmungsvollsten Schlosshöfe Deutschlands erscheinen lässt.“ Die immense Umgestaltung wird nach nur drei Jahren Bauzeit mehr als das Doppelte des kalkulierten Voranschlags kosten.

Der Landesfürst Johann Georg I. selber wird nie in Merseburg residieren. Doch bestand, nachträglich betrachtet, die ursächliche Planung der Residenz wahrscheinlich darin, die Stiftsregierung von der Saale aus zu führen und zu diesem Zweck einen modernen, repräsentativen Sitz zu schaffen.

Bauboom und Dreißigjährige Schlachten, Seuchen, Not und Tod

Am 18.Oktober 1606 trifft Johann Georg mit seinen Brüdern, Christian II., Kürfürst von Sachsen, und August, dem Administrator von Zeitz, auf der Rückkehr von der Grafschaft Henneberg in Merseburg ein. Auch wenn das neue Schloss nur zum Teil fertig gestellt ist, ist dies Grund genug, eine muntere Einweihung zu feiern. 1611 stirbt der kurfürstliche Bruder unerwartet und Johann Georg übernimmt die Regierung über das Fürstentum als Johann Georg I.

Der Architekt Brenner, über den es während der Bauzeit etliche Beschwerden gibt, holt den Freiberger Steinmetzmeister Simon Hoffmann nach Merseburg. Die Wendeltreppe des „Kammerturmes“ mit ihren Verzierungen, das Brunnenhaus in der Südecke des Schlosshofes oder der Erker der Nordfront sind die architektonischen Schmuckstücke der barocken Meister.

Wie bekannt, markiert der Prager Fenstersturz 1618 den Beginn des Dreißigjährigen Krieges, der sich ab seiner zweiten Phase auch durch den mitteldeutschen Raum wälzt. Am 14.Mai 1631 erlässt der Habsburger Ferdinand II., Katholik und deutscher Kaiser, nach anfänglich unverbindlichen Botschaften an die protestantischen Sachsen, eine Verordnung, die seinen Untertanen verbietet, die Rekrutierung für das Heer der protestantischen Fürsten zu unterstützen. Somit ist der Bruch im deutschen Reich perfekt und der Krieg ohne ausländische Intervention nicht mehr zu beenden.

Am 20.Mai fällt die protestantische Festung Magdeburg. General Johann Tserclaes Graf von Tilly gibt die Stadt seinen Söldnern, die seit Monaten keinen Sold mehr gesehen haben, zur Plünderung frei. Die „Magdeburgisierung“ wird zur Drohgebärde.

Als sich anschließend Tillys demoralisiertes und heruntergekommenes Heer in Richtung Sachsen vorstößt, Merseburg erobert und sich weiter auf Leipzig zu bewegt, schließen am 11.September Johann Georg I. und der geniale Stratege Gustav Adolf ein Militärbündnis. Der sächsische Kürfürst stellt dem schwedischen König sein Land als Operationsbasis und sein Heer unter Hans Georg von Arnim zur Verfügung. Eine Woche später kommt es bei Breitenfeld zur Schlacht. Der europäische Glaubenskrieg wendet sich nach 13 Jahren zugunsten der protestantischen Seite.

Gegen Ende des Jahres 1632 zieht die Kriegswalze wieder in Richtung Mitteldeutschland. Der Generalissimus Wallenstein versucht, in Eilmärschen aus Süden kommend, seine Truppen mit denen seiner Offiziere Holk und Pappenheim zu vereinen. Die Schweden folgen Wallensteins Truppen durch Gebiete, die bereits von diesen geplündert wurden. Die Kampfkraft und Moral der Söldner ist entsprechend gering, als beide Heere in der Ebene bei Lützen am 16.November 1632 aufeinandertreffen. Dem Schwedenkönig stehen nur noch 16.000 kampffähige Männer zur Verfügung. Die Verluste an Mensch und Material waren auf dem herbstlichen Gewaltmarsch erheblich. Doch Wallenstein und seine Offiziere begehen die entscheidende strategische Fehlentscheidung, als sie die offensichtlichen Mangelerscheinungen des schwedischen Heeres unterschätzen. In der Annahme, dass von den Schweden in den Wintermonaten kein Angriff zu erwarten sei, wird Pappenheim in die Richtung Halle, Merseburg, Aschersleben befohlen. Oberst Hatzfeld marschiert Richtung Eilenburg und General Colloredo Richtung Weißenfels. Der Lothringer Johann Graf Aldringer soll in Süddeutschland Rekruten ausheben. So nehmen die Kriegsereignisse von Lützen ihren geschichtlichen Lauf.

Residenzstadt, anhaltender Bauboom und das Ende der Sekundogenitur

Einen merkwürdig zweifelhaften Ruf im Krieg erlangt zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges Heinrich Graf von Holk durch seine besonders rücksichtslose Art der Kriegsführung. Der Feldmarschall entspricht allen Klischees eines Söldnerführers des Dreißigjährigen Krieges und prägt dieses Bild lebhaft mit. „Er war ein einäugiger, primitiver, versoffener Massenmörder, eine Geißel der heimgesuchten und geschundenen Bevölkerung und eine Schande für das kaiserliche Heer.“ berichten zeitgenössische Quellen.

Im "Theatrum Europaeum", einem der authentischsten Quellen, wird auf die Plünderung der Städte eingegangen, in denen auch die Heimsuchung Merseburgs angerissen wird. "In diesem Monat August 1633 ist geschehen der grausame große Einfall des Herrn Feldmarschall Holken über die Bergstädte. Zu Altenburg ist es sonderlich hart hergegangen, als Holk ganz plötzlich und unversehens mit viertausend Pferden allda angekommen, alles geplündert, die Weibspersonen zu Tode geschändet und die Mannspersonen zu Tode geschraubt, geprügelt und auf allerlei Marter und Weise getötet hat.

Es mußten die Eltern ihre Kinder, die Männer ihre Weiber begraben, die Toten lagen auf den Gassen, in Häusern und Gärten, und es konnte der Jammer nicht genugsam beschrieben werden. Es ging allenthalben übel, zu Ronnenburg, Gera, auch Pega, Lützen, und Meltzen wurden so ausgeplündert. Merseburg sollte 8.000 Reichstaler, Halle 16.000 Reichstaler geben, allda haben sie den Spitalvogt so gemartert, daß er gestorben ist."

Sächsische, kaiserliche und schwedische Truppen, Seuchen und Hunger dezimieren die Merseburger Bevölkerung derart, dass nach Kriegsende nur noch etwa 2000 Menschen in der Stadt leben.

1653 legt Johann Georg I. unter anderen das Merseburger Stift in die Hände seines dritten Sohnes Christian, der 1691 das Zeitliche segnen wird, und erhebt es zum Herzogtum. Merseburg wird zur Beamtenstadt. Adlige und vermögende Hofbeamte lassen sich in der Stadt nieder. Der Boom löst bei Handwerkern und Kaufleuten einen Freudentaumel aus und lässt die Stadt wirtschaftlich gesunden. Der bekannte Chronist Vulpius bemerkt, dass Christian „das gantze Schloß renovierende mit viel Fürstlichen Gemache, Zimmern, Stuben und Kammern vermehret und gezieret. Daß nunmehr auch zugleich darinnen Die Fürstliche Geheime Cantzeley und Cammer Consistorium und Stiffts-Regierung.“

Auf dem Gelände der alten Königspfalz wird, durch Mauern und Gräben getrennt, 1661 der Schlossgarten angelegt. Die Residenz wird auf der Höhe der Zeit gehalten. Doch ändert sich diese schneller als der Komplex mithalten kann. Heute sind wohl nur noch die barocken Kastanienalleen im ursprünglichen Zustand erhalten. Johann Michael Hoppenhaupt wird 1730 die Leitung über die Gestaltung der großzügigen Anlage des Schlossgartensalons übernehmen. Mit den zwei kleinen Orangeriegebäuden, wovon das westliche im Fliegerangriff 1945 zerstört wird, erhält der Garten im Norden einen repräsentativen Abschluss.

Die zwei Obelisken im Park werden im auslaufenden 17.Jahrhundert aufgestellt und erinnern noch heute an die ersten Herzöge und ihre Frauen. Während des Baubooms wird auch der Tiergarten auf dem Mühlanger an der Saale eingerichtet. Die Tiere weichen wie die Gebäude in späteren Jahrhunderten dem Fabrikgelände der Papierfabrik. Im Bereich des Schlossgartens wird eine Reitbahn angelegt. Wetterunabhängig wird um 1760 das Reitvergnügen durch die große Reithalle, die jedoch 1905 abgebrochen wird.

Nach Jahren des Krieges und der Zerstörung hält der Aufschwung in Merseburg Einzug. 1668 wird durch Rudolf August, Herzog von Braunschweig und Lüneburg, die Baumannshöhle im Harz unter Naturschutz gestellt wird, 1680 Weißenfels zur Residenzstadt erkoren und die Guinea-Handelskompanie Brandenburg-Preußens Groß-Friedrichsdorf im heutigen Ghana gegründet. Im gleichen Jahr wird in Merseburg ein “Fürstliches Zeug-Hauß am Schlosse“ errichtet. Einige Jahre später wird eine Bastion, der heutige „Dicke Heinrich“ zum Labor für den Hofalchimistenausgebaut. 1684 übernimmt Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg, der als Geigerherzog in die Geschichte eingeht, die Regierungsgeschäfte.

Im neuen Jahrhundert wird wieder am Schloss gewerkelt und gebaut. Heute ist aus der Residenzzeit der Merseburger Herzöge nur die von Hoppenhaupt stammende Stuckdekoration an der Hofseite über der Durchfahrt erhalten. Aus der Ära Hoppenhaupts, der 1717 zum sächsischen Landbaumeister ernannt wird, stammen auch die Wohnräume mit den originellen Stuckdecken und ein bezauberndes Porzellankabinett in den eleganten Formen der französischen Régence, die den Stil zu Beginn des 18.Jahrhunderts beeinflusst. Unter Hoppenhaupts kundiger Leitung wird auch für die Wasserversorgung des Schlossbereiches 1738 eine „Wasserkunst“ in der alten Oberburg errichtet.

Unter preußischer Herrschaft, Beamtenstadt und Industriemetropole

1738 geht die Merseburger Sekundogenitur mit dem Tod des kinderlosen Herzog Heinrich zu Ende. Als Sekundogenitur wird üblicherweise das Gebiet und Vermögen des zweitgeborenen Sohnes und seiner Nachkommen eines Fürstenhauses bezeichnet. Künftig wird wieder in Dresden residiert. Kurfürst Friedrich August II. von Sachsen wird nun Regent über die sächsischen Lande und als August III. König von Polen.

1757 zieht auch der Siebenjährige Krieg durch die mitteldeutschen Lande. Im November 1757 siegt das preußische Heer unter Friedrich dem Großen bei Rossbach, südwestlich von Merseburg, gegen die Franzosen und die Reichsarmee. Bis zum Kriegsende 1763 wird die Region weitere schwere Verwüstungen erleben.

Nach dem Ende der Befreiungskriege, Völkerschlachten und napoleonischen Ära fällt Sachsen 1815 an Preußen. Die Beamten bleiben an der Saale und Merseburg wird 1816 Sitz des gleichnamigen preußischen Regierungsbezirks in der neugebildeten Provinz Sachsen. Das Schloss wird, abgesehen vom ersten Stock des Ostflügels, ausschließlich für Verwaltungsaufgaben genutzt. Die Räume des gesperrten Stocks werden für gelegentliche Besuche des preußischen Königs zur Verfügung gehalten. In der Etage darüber liegt die Dienstwohnung des Regierungspräsidenten.

Merseburg etabliert sich neben Naumburg zur beliebten Beamtenstadt. Die Staatsdiener sind unter ihresgleichen. Durch den Sitz des Behördenapparates kommt es zur Bevölkerungsexplosion von 6.841 Einwohnern 1815 auf 11228 Bürger im Jahre 1855.

1832, in der Stadt Altenburg wird durch die Brüder Bechstein eine Spielkartenfabrik eröffnet, werden die Merseburger Vorstädte Altenburg und Neumarkt mit dem Dombezirk und der inneren Stadt zusammengeschlossen.

Auf dem Kontinent hält die industrielle Revolution Einzug. Mit dem Anschluss Merseburgs an die Bahnlinie Halle – Naumburg kommt 1846 die erste Dampflokomotive in die Stadt. Acht Jahre später stirbt der Mediziner Karl Adolph von Basedow in Merseburg.

Viel Wasser fließt die Saale herunter. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg und der Reichsgründung 1871 fährt die industrielle Revolution mit Volldampf in Merseburg ein. Kleinbetriebe wie Eisenhütten, Maschinen-, Leder- und Papierfabriken sowie Brauereien entwickelten sich rasant zu unternehmerischen, exportorientierten Fabriken.

Auf dem Schloss wird bei der einschneidenden Restaurierung 1887 bis 1890 ein Großteil des bildhauerischen Schmucks durch Kopien ersetzt und der Außenputz, auf dem noch „Reste einer großzügigen barocken Fassadenmalerei“ zu sehen sind, beseitigt.

Das deutsche Reich befindet sich im weltpolitisch, wirtschaftliche Schwung und saust in voller Fahrt in die größte Katastrophe des 20.Jahrhunderts. Doch vorerst wird 1912 über dem Tor der Haupteinfahrt des Schlossvorhofs die überdachte „Beamtenlaufbahn“ eingeweiht. Während der „Westen nichts Neues“ meldet, wird 1916 im Rahmen des Hindenburgprogramms von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik Ludwigshafen – BASF – bei Leuna das Ammoniakwerk Merseburg errichtet. 25.000 Menschen sind am Bau beteiligt. Die Leunawerke werden im Laufe ihrer kommenden Jahre immer wieder im Rampenlicht stehen. Als Arbeitgeber, Bombenziel oder hochpolitische Wirtschaftsaffäre am Ende des Jahrhunderts.

Das Porzellankabinett des Johann Michael Hoppenhaupt wird in das Deutsche Museum Berlin überführt, wo es 1944 ein Opfer der Bomben wird.

1930 werden Merseburger und Naumburger Domkapitel mit dem Kollegiatsstift Zeitz zu einem gemeinsamen Gremium zusammengefasst, dem sieben ehrenamtlich tätige Domherren aus unterschiedlichen Bereichen des Öffentlichen Lebens angehören. In den ersten Jahren bilden adlige katholische Priester und Gelehrte die Gemeinschaft der Merseburger Domherren; unter dem preußischen Adler später verdiente Staatsbeamte.

Das Schloss über der Saale prägt nur noch die Silhouette der Stadt. Das Leben wird zunehmend von den Werken bestimmt, zu denen ab 1936 auch Buna gehört. Nach Merseburg ziehen viele Arbeiter. Die Stadt erwirbt Land im Süden, Westen und Norden und erstellt Generalbebauungspläne für den Bau von Privathäusern, Wohnsiedlungen und Fabriken. Die Industrieviertel werden im Süden und Südosten, die Wohnviertel im Norden und Nordwesten angelegt, damit die Industrieabgase durch den Westwind nicht über die Stadt und die Bewohner getragen werden. Die rauchenden Schornsteine künden vom Ergebnisbeitrag der Industriebarone und Wachstum der Stadt.

Bomben und Arbeiteraufstand, Museum und Ausblick

Ebenso wie das Chemie- und Braunkohlengeprägte Umland wird das Merseburger Industriegebiet im Zweiten Weltkrieg begehrtes Angriffsziel der Bomberstaffeln. Die Stadt wird schwer zerstört. Auch das Schloss wird getroffen. Am 07.10.1944 wird der Ostflügel teilweise zerstört und brennt einige Monate später völlig aus.

Entsprechend den Verträgen von Jalta müssen die Amerikaner das Gebiet wieder räumen. Merseburg liegt von nun an in der Sowjetischen Besatzungszone. Am 23.07.1945 werden die preußischen Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg sowie das Land Anhalt zur Provinz Sachsen vereinigt. Das „sozialistische Experiment“ nimmt seinen Lauf, der im Juni 1953 jäh gebremst wird. Während des Arbeiteraufstandes finden in den Tagen um den 17.Juni außer in Berlin Streiks und Demonstrationen vor allem in den mitteldeutschen Industriegebieten um Halle und Magdeburg statt. Besonders die Betriebe Leuna und Buna befinden sich im Ausnahmezustand. In Merseburg, Jena, Bitterfeld und Görlitz werden Büros von Partei und Staatssicherheit sowie Gefängnisse gestürmt. Der Protest wird mit Unterstützung der Sowjetarmee erstickt und ideologisch totgeschwiegen.

Nach dem Ausscheiden der Burg Falkenstein aus dem Verbund der „Fünf Ungleichen“ 1998 tritt das Spätrenaissance-Schloss die Nachfolge an.

Dem Zeitgeist angepasste, hochinformative Dauerausstellungen und eine enge Zusammenarbeit von Stadt, Dom und Schloss sollen die Besucherzahlen nachhaltig steigen lassen, blickt Holger Reinhardt, der Amtsleiter für Kultur und Denkmalschutz heute in die Zukunft. Das Merseburger Schloss beherbergt heute neben der Verwaltung des Landkreises Merseburg-Querfurt eine Musikschule und das „Kulturhistorische Museum Schloss Merseburg“ als Einrichtungen des Landkreises. In den restaurierten Kellergewölben werden Exponate der fundreichen Ur- und Frühgeschichte des Kreises ausgestellt. So sind jungsteinzeitliche Keramiken und Schmuck der „Rössener Kultur“, deren Fundort unweit von Merseburg bei dem Ort Rössen liegt, ein schnurkeramisches Körpergrab und zahlreiche Funde der römischen Kaiserzeit zu sehen. Besonders erwähnenswert ist die Ausstellung über die Merseburger Geschichte von der karolingischen Zeit über den Höhepunkt am Ende der ottonischen Epoche zum Einschnitt am Ende des hohen Mittelalters mit dem Ende der Königspfalz im Großen Interregnum.

SCHLUSS