MÜCHELN UND DAS GEISELTAL

Von den alten meissnischen Adelsgeschlechtern, die sich meist wohl in Folge der Gebietserweiterungen ihrer Lehnsherren, der Markgrafen von Meissen, in das Osterland und nach Thüringen übersiedelten, ist das der Helldorffe (Helfdorffe) eins der angesehensten. Die Helldorffe treten in frühester Zeit schon im Lehensgefolge der Markgrafen von Meissen auf; Ulrich von Helldorff zog 1147 dem Markgrafen Conrad dem Grossen zu, als dieser mit Kaiser Conrad III. wider die Saracenen kriegte. Dreihundert Jahre später erduldete Georg von Helldorff eine zwei und zwanzigjährige Gefangenschaft bei den Türken. Bei seiner Rückkehr hatten seine Brüder Sittig und Hans II., ihn todt wähnend, das Erbe des Vaters getheilt, doch traten sie ihm in brüderlicher Liebe sofort die Güter Naethcrn und Reussen bei Zeitz ab. Mannichfach auch im Dienst verschiedener Fürsten aus dem meissnisch-sächsischen Stamme ausgezeichnet (so war Georg Friedrich Sachsen-naumburg-zeitzischer Premier-Minister, Geheimerath, Canzler und Consistorial-Präsident; Johann Julius Churfürstlich Sächsischer und Königlich Polnischer Justiz-Minister etc.), pflanzte sich das edle Geschlecht fort bis auf diesen Tag. In den beiden gegenwärtig noch blühenden Linien befanden sich bereits Grafen und Freiherren und kam an die Jüngere (Schwarze) 1840 die Preussische Grafenwürde nach dem Recht der Erstgeburt. Der jetzige Graf von Helldorff ist Wolf Heinrich Hans, Herr auf Wolmirstedt, Runstedt u. s. w. ... Der zweite Bruder des Grafen von Helldorff, der Königl. Preussische Kammerherr, Landrath des Querfurther Kreises und Mitglied des Herrenhauses, Carl Heinrich v. Helldorff, Herr auf Groest, Stoebnitz und Oechlitz ist der gegenwärtige Besitzer des Ritterguts St. Ulrich, dessen Besitz aus 2400Morg. Waizenboden und 600 Morg. Wiesen, Forst und Anger besteht. Dieses altschriftsässige Mannlehen - Rittergut liegt mit dem Pfarrdorfe gleichen Namens in einem engen Thale, das von dem Geiselbach durchflossen wird. Die ältere Geschichte von St. Ulrich ist dunkel, wahrscheinlich gehörte der Grundbesitz des Rittergutes ganz oder zum Theil zu dem früher schon hier bestandenen Kloster St. Ulrich. Wie das Rittergut entstand ist nicht mehr nachzuweisen. Nach den ersten urkundlichen Nachrichten war St. Ulrich 1529 in Besitz der altthüringischen Sippe derer von Breitenbauch, die sich darin bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts behauptet haben. Von denen von Breitenbauch kam St. Ulrich durch Kauf an die ebenfalls altthüringischen Herren von Witzleben; doch blieb es nur kurze Zeit bei denselben und ging an die von Helldorff über, die seit Mitte des vorigen Jahrhunderts durch Kauf und Lehensanfall ihren Güterbesitz in Thüringen bedeutend vergrössertcn und seitdem zu den grössesten Grundherren in diesem Landestheile gehören. Der erste Besitzer von St. Ulrich aus dem Hause der Helldorffe, der Domherr des Hoch-Stiftes zu Merseburg und churfürstlich sächsische Kammerherr Johann Heinrich von Helldorff etc. sicherte durch fideicommissarische Bestimmungen dieses Rittergut, so wie andere Besitzungen dem Mannesstamme seiner Familie. Diesem folgte der Vater des jetzigen Besitzers, der Königlich Sächsische Stiftshauptmann Ferdinand Heinrich von Helldorff auf Schloss Bedra, Wolmirstedt etc. Das Schloss zu St. Ulrich zeigt in seinen verschiedenen Theilen den Baustyl verschiedener Zeiten; der südliche Theil ist gewiss sehr alt, der mittlere wurde im Jahre 1624, der nördliche endlich im Jahre 1780 erbaut.“ schreibt der preußische Verleger Alexander Duncker in seiner Grafiksammlung preußischer Schlösser über das Rittergut St. Ulrich.

Elefantenreich, Braunkohle und Jakobsweg

1921 bis 1925 ließ Karl Roderich von Helldorff das Wasserschloss umbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Enteignung wurde das Schloss Jugendwerkhof und von 1948 bis 1993 Kinderheim. Der gegenüberliegende Barockgarten wurde unter Herr von Breitenbauch um das Jahr 1720 angelegt. Er war im typischen Barockstil angelegt,  streng symmetrisch und gegliedert nach einer Sichtachse von Portal zu Portal. Im Zuge der Neugestaltung des Schlosses ließ auch Karl Roderich von Helldorff, den Garten neu gestalten. Seit dem Ende des Krieges verkam der Garten langsam aber stetig, die Figuren verschwanden, das Teehaus stieg zur Ruine ab. Nach der Wende kam es ab 1993 zu Restaurierungsarbeiten. 

Archäologische Funde auf dem Kohlberg lassen eine Besiedlung der Bernburger Kultur des Spätneolithikum (3200 bis 2800 v. Chr.) vermuten. Weitere Funde stammen aus der Spätbronzezeit (1300–800 v. Chr.) und deuten auf eine zweite Besiedlungswelle hin. „Muchilacha“ erscheint erstmals schriftlich in den Urkunden des Klosters Hersfeld als zehntplichtiger Ort im Friesenfeld neben der Burg Muchileberg. 1350 wird das Stadtrecht verliehen und fast 600 Jahre später (1936) der Name Mücheln (Geiseltal) amtlich als Stadtname festgelegt. Im Keller des 1571 im Renaissancestil erbauten Rathaus wurde bis etwa 1735 auch gefoltert und Müchelner Bier gelagert. Das mitteldeutsche Industriegebiet wurde in den letzten Wochen des 2.Weltkrieges schwer zerstört. Wenige Tage vor dem Einmarsch der amerikanischen Truppen wurde diese Bombe am 06.April 1945 abgeworfen und noch heute berichten einige Bunker über das immer wieder bombardierte mitteldeutsche Industriegebiet um Merseburg it den nahen Chemie- und Raffineriestandorten Mücheln, Buna und Leuna. Mücheln wurde nach dem Fall der Mauer und dem Niedergang von Industrie und Bergbau aufwändig renoviert. Zahlreiche Häuser stehen aufgrund der enormen Abwanderung jedoch leer. Seit 2005 führt der Jakobsweg zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela durch Mücheln. 

Über die vorgeschichtlichen Jahre, Pflanzen, Elefanten und frühen Jagdspuren im Geiseltal wurde in der Sonderausstellung „Elefantenreich - Eine Fossilwelt in Europa“ des Landesmuseum für Vorgeschichte Halle 2010/11 berichtet. „Rund 200.000 Jahre alt ist der Schatz, den Archäologen während vieler Jahre vor dem Schaufelradbagger in der Braunkohlegrube Neumark-Nord gerettet haben. In den fossilen Sedimenten blieben die Relikte eines ganzen Seebiotops erhalten, das die Vielfalt und die Fremdartigkeit einer längst vergangenen Urwelt zeigt. Heute ist diese Fundstelle eine der bedeutendsten Informationsquellen zur Altsteinzeit in Europa.“ hieß es im Ausstellungsprospekt. Blickt man heute auf die ehemaligen Tagebaurestlöcher, findet man eine neue Landschaft. Über Jahrhunderte prägte der Braunkohlebergbau Landschaft und Menschen im Geiseltal. Die Geiselquelle (der Name Geisel stammt wahrscheinlich vom altnordischen Wort geis(an)), war vor Beginn des Bergbaus eine der größten Quellen Mitteldeutschlands. Der kleine Bach war überaus fischreich und mit seinem Wasser wurden siebzehn Mühlen betrieben. Doch bereits 1540 wurde der Bachlauf verlegt.

„Die Förderung der Kohle lässt sich bereits für 1698 urkundlich belegen, gewann jedoch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Die erschlossenen Gruben dienten vor allen zur Versorgung umliegender Zuckerfabriken. Im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung erbrachten Erkundungen neue Erkenntnisse über das Ausmaß der Lagerstätte, die ab 1905/06 im großtechnischen Maßstab erschlossen wurde. Innerhalb weniger Jahre nahmen die Tagebaue Elisabeth (1907), Rheinland (1907), Cecilie (1907), Beuna (1907), Leonhardt (1910), Vesta (1910), Gute Hoffnung (1911), Pfännerhall (1911) und Elise (1912) den Betrieb auf. Zur Weiterverarbeitung wurden zwischen 1897 und 1913 acht Brikettfabriken errichtet. Die im Geiseltal geförderte Braunkohle wurde nicht nur zur Energiegewinnung insbesondere in umliegenden Zuckerfabriken genutzt, sondern diente auch als Rohstoff für chemische Prozesse und beschleunigte die Ansiedlung entsprechender Produktionsstätten im Raum Merseburg. In Leuna ging 1917 die erste großtechnische Anlage zur Produktion von Ammoniak in Betrieb. 1936 begann in Schkopau der Bau der Buna-Werke, des weltweit ersten Synthesekautschukwerkes der I.G. Farben. Im gleichen Jahr setzte auch der Bau des Mineralölwerkes der Wintershall AG in Krumpa ein. Nach 1945 erfolgte eine Intensivierung des Abbaus.

Die nach Abbau der Braunkohle verbliebenen riesigen Tagebaurestlöcher führten schon zu DDR-Zeiten zu Überlegungen zur weiteren Nutzung, wobei jedoch zunächst nur an einen großen Wasserspeicher gedacht war. Nach der Wiedervereinigung richteten sich die seit 1991 auf die Sanierung mit dem Ziel, unter dem Namen Geiseltaler Seenkomplex ein überregionales Erholungs- und Freizeitgebiet zu schaffen. Der Tagebaubetrieb wurde am 30. Juni 1993 eingestellt, nachdem insgesamt 1,4 Milliarden Tonnen Braunkohle abgebaut und ebenso viel Abraum bewegt wurde. Durch den Abbau entstand ein knapp 80 m tiefes Tagebaurestloch von rund 2.600 Hektar Fläche. Die Flutung mit Saalewasser begann nach umfangreichen Erd- und Sanierungsarbeiten am 30. Juni 2003 und wurde 2011 abgeschlossen.“ (Quelle: Wikipedia)