BAD BIBRA

"Der Ort ist auf der Fernverkehrsstraße 176 zu erreichen. Zwischen Harz und Thüringer Wald, an dem Höhenzug der Finne – einer landschaftlich reizvollen Gegen – liegt Bad Bibra. Dieser Erholungsort erfreut sich eines regen Touristen- und Urlauberverkehrs. Ein herrliches Waldschwimmbad und ausgedehnte Laub- und Nadelwälder mit schönen Tälern (NSG/LSG) erfreuen jährlich Tausende von Urlaubern. In der HO-Gaststätte „Thüringer Hof“ werden die FDGB-Urlauber gastronomisch gut betreut. Moderne Klubräume des FDGB-Feriendienstes, ausgestattet mit Rundfunk- und Fernsehgerät, laden besonders bei schlechtem Wetter zu Spiel und Unterhaltung ein. Die Campingfreunde können am Waldschwimmbad auf dem öffentlichen Campingplatz des ADMV ihre Zelte aufschlagen. Anziehungspunkte für die Gäste sind die malerischen Täler mit den seltenen Wassermühlen. Eine halbe Stunde vom Ort entfernt ist das beliebte Ausflugsziel Steinbach. In der dortigen Konsumgaststätte können die Besucher bei einer Tasse guten Kaffees und vorzüglichen Speisen gemütliche Stunden verleben. Weitere geschätzte Wanderziele sind das Sauerbachtal, Thalwinkel und Burgscheidungen. Auch die Weinstadt Freyburg (Unstrut), das Glockenmuseum in Laucha, Naumburg, die Eckartsburg und die Rudelsburg werden gern besucht. Fahrten mit dem Reisebüro der DDR durch das Unstruttal, zum Kyffhäuser, nach Jena und nach Weimar gehören zum Urlaubsprogramm. Der Klub der Werktätigen entwickelt gemeinsam mit dem FDGB-Feriendienst ein vielseitiges geistig-kulturelles Leben. Die umfangreiche Bibliothek des Ortes bietet für jung und alt die richtige Lektüre. Auf der Freilichtbühne finden bei schönem Wetter Theater- und Filmveranstaltungen statt. Auch der Urlaubersport kommt in Bad Bibra nicht zu kurz. Auf der Kegelbahn und im nahen Waldbad können sich die Gäste aktiv erholen und neue Kraft schöpfen.“

(aus: Das Ferien- und Bäderbuch, Verlag Tribüne Berlin, 1970)

Vom Königshof zum Modebad

Der Ort liegt in einem weiten und tiefen, vom Biberbach und seinen Zuflüssen über die Zeiten eingegrabenem Tal zwischen Finneplateau und Muschelkalkrandstufe. Die ersten nachgewiesenen Siedlungsspuren, wie gefundene Hacken und Getreidereibeplatten, reichen in die Frühzeit der älteren Linienbandkeramik zurück. In einer um 1150 entstanden Abschrift des Brevarium Lulli von 786 - ein Verzeichnis der Güter des Mainzer Erzbischofs Lullus - wird der Ort Bibraho erstmals urkundlich erwähnt. Für das 10.Jahrhundert wird ein königlicher Hof auf dem heutigen Domberg, Reichsbesitz seit Karl dem Großen und mit dem nahen Hof Steinbach, nachweisbar. 962 schenkt Kaiser Otto I. den Königshof Bibra mit Burg und Dorf dem Grafen Billing. Dieser gründet im folgenden Jahr im Bereich des Hofes das Benediktinerkloster St. Peter und Paul.  Etwa 50 Jahre später wird das Kloster in das Augustinerchorherrenstift St. Justus und Klemens umgewandelt. Die Entwicklung des Marktortes Bibra ist im folgenden Jahrhundert eng mit dem Kloster und den Grafen von Rabenswalde verbunden. 1124 erhält Bibra Marktrechte und urkundlich nachweisbar werden die Slawen, die bereits seit frühen Zeiten in der Gegend siedeln, gegen Fronzins in die Stadtentwicklung integriert. Eine dem Ägidius, ein bei den christianisierten Slawen beliebter Heiliger, geweihte Kirche bleibt bis zur Reformation das Gotteshaus der Gemeinde. Nach der Reformation wird das Kloster, wie viele andere im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, aufgelöst. In den folgenden Jahrhunderten wird Bibra meist nur als Flecken und selten als „stad“ bezeichnet.

Bibra bleibt eine Siedlung hinter den Bergen. Im Zuge der Sekundogenituren fällt Bibra 1657 an das Herzogtum Sachsen-Weißenfels. Die Herzöge finden Gefallen am Tal, lassen den Gesundbrunnen fassen und Bibra entwickelt sich, auf Anraten des Arztes und „Professors der Arzneigelahrtheit in Halle“ Friedrich Hoffmann, „als „Staatsbad“ der sächsischen Hocharistokratie“* zum Modebad des Herzogtums. 1849 wird Bibra formal zur Stadt erhoben und gründet 1874 „als Zeichen bürgerlicher Aktivitäten eine Aktiengesellschaft“, aus deren Händen das neue Badehaus 1900 in den Besitz der Stadt übergeht. An Stelle der baufälligen Stiftskirche wird zwischen 1869 und 1871 die heutige Maria-Magdalenen-Kirche erbaut. Ab 1925 darf Bibra den Zusatz Bad führen. Der Badetourismus, der im 18.Jahrhundert seinen Höhepunkt erlebte, verliert in den folgenden zwei Jahrhunderten schleichend an Bedeutung, bevor er mit der politischen Zäsur von 1989 und dem folgenden wirtschaftlichen Kollaps in die Knie ging. Trotzdem gaben die Bibraer Einwohner ihren Badeort noch nicht ganz auf und zum 1. Kneipp- und Badetag im Mai 2003 wurde der neu gestaltete Badeplatz mit Kneipptret- und Armbadebecken eingeweiht. An die sächsischen Glanzzeiten knüpfen heute fragile Tourismusbemühungen an; wirtschaftlich bieten mittelständische Unternehmen wie die Molkereigenossenschaft Bad Bibra e.G. Arbeitsplätze im südlichen Landesteil der Sachsen-Anhaltinischen Frühaufsteher.

* (Werte unserer Heimat, Das Gebiet an der unteren Unstrut, Akademie-Verlag Berlin, 1988)