FORST ZIEGELRODA

Der Ziegelrodaer Forst - er besitzt einen der umfangreichsten naturnahen Eichenbestände in Deutschland - liegt im südwestlichen Teil des Landes Sachsen-Anhalt. Naturfreunde und Ausflügler zieht es immer wieder in das größte zusammenhängende Waldgebiet des Naturparks „Saale-Unstrut-Triasland“. Zahlreiche geschützte und seltene Tiere und Pflanzen sind im geschichtsträchtigen Forst, in welchem bereits zahlreiche erlauchte Herrschaften jagten, ebenso anzutreffen wie eine große Vielfalt an heimischen Arten.

Wirtschaftsfaktor & Erholungsort

Heute ist der Ziegelrodaer Forst, der zum größten Teil im Westen des Landkreises Merseburg-Querfurt liegt, ein charakteristischer Bestandteil des Naturpark „Saale-Unstrut-Triasland“ und prägt als größter zusammenhängender Waldkomplex wesentlich die Landschaft. Mit der zunehmenden Bedeutung des Erholungsortes Wald wuchsen in den letzten Jahren die Bemühungen, weitere Naherholungsgebiete für den Tourismus zu erschließen und zu erweitern.  

In erster Linie zeichneten hierfür die Mitglieder des Naturparks verantwortlich. Von großer Bedeutung ist jedoch die bestehende gute Zusammenarbeit zwischen Naturpark und dem zuständigen Forstamt Ziegelroda, da immer noch die Holzproduktion zu den Hauptaufgaben der Forstwirtschaft gehören. Doch auch im Forstamt wird das Thema Öffentlichkeitsarbeit ganz groß geschrieben. So werden beispielsweise die jährlichen Jugendspiele, die Schulklassen den Wald näherbringen sollen und unter Leitung der zuständigen Revierförster stattfinden, sehr gern besucht.

Für den „sanften“ Tourismus indessen zieht sich ein hervorragend erschlossenes Wegesystem durch den Waldkomplex. Klangvolle Namen wie „Lehmgrundweg“, „Märzenbechertalweg“ oder „Quernetalweg“ sollen hier den Weg weisen. Außerdem gibt es noch Rundwege wie den bei Schraplau und den Steinbruchweg.

Lange Wanderwege wie der von Stedten über die Hermannseck nach Nebra mit etwa 40km oder der 4km Weg von Ziegelroda zur Hermannseck als Kurztrip stehen zur Verfügung. Doch scheint es manchmal - bei aller Naturliebe und Heimatverbundenheit - daß es die Verantwortlichen mit der Beschilderung zu gut gemeint haben und mit der Pflanzung eines Schilderwaldes ihren eigenen Forst züchten wollten. 

Der ca. 8.400 Hektar große Waldkomplex des Ziegelrodaer Forstes besteht zu über 80% aus Laubwald; zu 49% wird er von Eichen und zu 19% von Buchen geprägt. Der Forst besitzt somit einen der bedeutendsten naturnahen Eichenbestände Deutschlands. Aufgrund ihrer Sonderherkunft stellt die in manchen Waldgebieten vorkommende Spessarteiche eine Besonderheit dar. Gehörte vor 1945 ein Großteil des Waldes zum preußischen Staatsforst, so sind heute etwa 7.000 Hektar Landesforst. Der Rest ist Treuhand-, Kommunal- und Kirchenwald.

Der Forst bietet Rot-, Reh- und Schwarzwild einen idealen Lebensraum. Selbst am Tage ist ein Zusammentreffen mit vertraut äsendem Wild nicht auszuschließen. Erwähnenswert ist die jährlich stattfindende Trophäenschau der Hegegemeinschaft, die auf der Grundlage einer einheitlichen Hegerichtlinie das Wild hegt und bejagt.

Wählt man die Hermannseck als Ausgangspunkt für einen Ausflug und wandert Richtung Nebra, so kommt man auf der „Kohlenstraße“ am „Arbeitsdienststein“ vorbei. „Für den Wald - Reichsarbeitsdienst 1933-38“ steht zur Erinnerung darauf. Damals gab es hier eine Unterkunft für die Arbeiter; heute steht an der Stelle eine Jägerhütte. Einige zugewachsene Bombentrichter in unmittelbarer Nähe zeugen noch von Fliegerbomben in den letzten Kriegstagen. Um Ziegelroda und Landgrafroda wurde im April 1945 verbissen gekämpft. Doch etliche Bomben wurden von den Amerikanern auf ihrem Rückweg nach der Bombardierung der Leuna-Werke über den Waldflächen ausgeklingt.

Später kommt man am „Hirtentisch“ vorbei, einem Rastplatz unter schattigen Linden, an dem sich die Schäfer vor Jahrzehnten von ihrer Arbeit ausruhten.

Wandert man am Waldrand zurück in Richtung Kleineichstädt, so fällt in nordwestlicher Richtung der Blick auf die Querfurter Platte und das davor liegende Naturschutzgebiet „Hänge bei Niederschmon“ mit sehr bedeutender Trockenvegetation und wärmeliebender Tierwelt. Im gesamten Forstbereich gibt es gegenwärtig 7 solche Gebiete. Je nach Standort und Verhältnissen sollen einmalige Tier- und Pflanzenarten geschützt werden. Weithin sichtbar ist das NSG „Steinsklöbe“ an der Unstrut im südlichen Teil des Forstes. Hirschkäfer, Wendehals und Grauammer sind ebenso wie seltene Orchideenarten in diesem „Oldtimer“ unter den hiesigen Schutzgebieten beheimatet. Selbst Alteinheimische kennen die Steinsklöbe an den Unstruthängen nur als Naturschutzgebiet, welches sogar einen internationalen Bekanntheitsgrad genießt.

Schon obligatorisch ist der Ausflug der Naturfreunde aus Lodersleben und Umgebung in den Forst. Ziel der jährlichen Frühjahrstour ist das Märzenbechertal, daß mit seiner weithin leuchtenden Pracht eine magische Anziehungskraft ausübt. Doch finden solche Wanderungen das ganze Jahr über im gesamten Waldgebiet statt und immer mehr Anhänger.

Eine Perle stellt die Saatgutplantage für Lärchen bei Ziegelroda dar. In den 50er Jahren entwickelten Forstwissenschaftler in Graupa bei Dresden ein Verfahren zur Beschaffung hochwertigen Lärchensamens für Forstbaumschulen. Eine Rekordernte von 2.800kg brachte das Jahr 1992 für das Forstamt Ziegelroda ein und sicherte die Anzucht wertvollen Pflanzenmaterials auf Jahre hinaus.

Von den Hügelgräbern zur Rauchschadfläche

Archäologen und Chronisten, ob Experten oder Laien, geht im Ziegelrodaer Forst immer wieder das Herz auf.

Ob Burgtal im südlichen Teil oder die heute verschwundene Lautersburg aus dem 12.Jahrhundert im Norden des Forstes oder die zahllosen, über den gesamten Forst verteilten Hügelgräber aus der Jungsteinzeit oder die Wüstungen, von denen nur noch Flurnamen Kenntnis über vergangene Siedlungsexistenz geben.  

Jeder Teil bietet den Interessierten genug Substanz für Geschichte und Geschichten. Auf dem Ronneberg bei Vitzenburg soll sich der Thüringer Irminfried mit seinem Heer dem Frankenkönig Theuderich 531 vergebens zu einem vorletzten Kampf gestellt haben. Im nahen Burgscheidungen ging kurz darauf das Reich der Thüringer endgültig unter.

Mit dem Fund der "Himmelsscheibe von Nebra" gelangte nicht nur der Forst zu internationalem Bekanntheitsgrad. Den meisten Touristen dürften jedoch die kleinen versteckten Orte des Forstes verborgen bleiben, da zu einem Großteil Busse durch die ehemals stillen Wälder zur Fundstelle am Mittelberg fahren.

Eine zentrale Stellung nimmt das Erholungsgebiet Hermannseck zu solchen kulturhistorischen Orten wie der Burg Querfurt oder Wendelstein ein. Die Thomas-Müntzer-Stadt Allstedt ist von hier ebenso gut zu erreichen wie die ehemalige Kaiserpfalz Memleben, wo das Herz Ottos, des ersten Kaisers des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ begraben liegt. 

Das Kaliwerk Roßleben stellte ein besonderes Kapitel in der jüngeren Geschichte des Forstes Ziegelroda dar. Der Schacht, der 1902 getäuft wurde, begann 1905 mit der Kaliförderung. Schon 1926 beklagte sich die Forstwirtschaft beim Kaliwerk über hohe Staubeinwehungen in die Waldbestände des sich östlich anschließenden Höhenrückens. Doch erst 1953 besichtigten Vertreter von Kaliwerk und Forstwirtschaft gemeinsam die Auswirkungen auf den Wald. Auch wenn man in den 50er Jahren Filter für die Abgase einsetzte, so waren doch die Schäden nicht mehr reparabel. Insbesondere die Schwefeldioxid-Immissionen führten zu einem ruinierten Waldbild. Zwar gab es immer wieder Feldversuche mit dem Ziel, widerstandsfähige Bäume anzupflanzen, doch gelang eine wirkungsvolle Rekultivierung erst Anfang der 90er Jahre - mit der Stillegung des Werkes Roßleben.

Natur-, Kali- und Geschichtspfad am Rande des Ziegelrodaer Forstes

Nach langer Vorbereitungszeit entstand unter Mithilfe des Forstamtes Ziegelroda an der Landesgrenze zu Thüringen der „Natur-, Kali- und Geschichtspfad“. Federführend bei den Arbeiten war der Heimatverein Roßleben e.V. Durch eine AB-Maßnahme wurde zwischen den ehemaligen Kreisen Querfurt und Artern entlang der Waldgrenze ein Pfad angelegt, „der die Schönheiten und Besonderheiten dieser Region allen Bürgern nahe bringen soll“, wie es in einer Mitteilung heißt.  

Von Ziegelroda kommend, breitet sich in Richtung Roßleben von der Waldkante das Salzspiegeltal der Unstrut aus. Linkerhand der Stelle, an der die Landstraße aus dem Wald tritt, liegt der Eingang zum Mühltal. Aufgrund seiner zentralen Lage, sollte von hier aus die Tour beginnen. Wandert man in westlicher Richtung, kommt man entlang der alten Postkutschstraßen an der Trockensteinmauer der Steinbrüche vorbei. Interessant zu wissen ist hierbei, daß die Chaussee nach Ziegelroda erst um 1900 gepflastert wurde. Besonders deutlich ist anhand des Profils der alten Steinbrüche die geologische Beschaffenheit (Buntsandstein) dieser Gegend zu erkennen. Vorbei an den zwei Teufhalden des Schachtes „Drei Linden“ erreicht man die Landstraße Querfurt - Artern; und somit das westliche Ende des Wanderweges.

Vom Mühltalteich, der vor Jahren in einer alten Lehmgrube angelegt wurde und seitdem Wohnstatt zahlreicher Lurche und anderer Amphibien wurde, geht es in östlicher Richtung steil bergauf. Erster markanter Punkt ist hier die Schülerhöhle, in der sich der Überlieferung nach ein Klosterschüler das Leben genommen hat. Um in die Reihen der Roßleber aufgenommen zu werden, mußten früher die Klosterschüler ein Stück Rinde aus der bedauernswerten „Einbeißeiche“ (in unmittelbarer Nähe der Höhle) herausbeißen. Die dabei verabreichten Schläge fielen dabei allerdings etwas herzhafter aus. Vorbei an 3000 Jahre alten Hügelgräbern führt der Rundwanderweg zur ehemaligen Rauchschadfläche. Diese Kahlfläche, entstanden durch Salz- und Schwefelsäurebelastungen, wurde nach der Wende rekultiviert. Die um 1900 geöffneten Kastengräber nördlich des Kaliwerkes sind frei zugänglich. 

Weit erstreckt sich der Blick über das Tal zwischen Kaliwerk und Försterei. Auf der anderen Seite der Unstrut sind thüringische Finne und Schmücke zu erkennen. Für den Ausflug auf dem Naturpfad sollte man sich allerdings einige Stunden Zeit nehmen, da hier doch einige Meter zu bewältigen sind.

Wissenswertes

Der Forstamt Ziegelroda sich vom nördlichen Bischofroda bis an die thüringische Landesgrenze im Westen; schließt im Osten an das Forstamt Halle an und wird im Süden durch die Unstrut begrenzt. Der geschlossene Waldkomplex des Forstamtes liegt zum größten Teil im Landkreis Merseburg-Querfurt. 

Das kontinental getönte Klima des Ziegelrodaer Forstes mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von +8,6°C und einem Niederschlag von 550mm wird durch seine Lage im Regenschatten des Harzes bestimmt. Die höchste Erhebung mit 297m über NN liegt in unmittelbarer Nähe von Ziegelroda. 

Die Jagdhornbläsergruppe von Ziegelroda kann auf eine 28jährige Tradition verweisen. Neben kleineren Auftritten gaben sie 1986 ihr Fernsehdebüt „Im Krug zum grünen Kranze“ an der Seite von Rainer Süß.  

Nur noch auf alten Forstkarten ist der über 1.000 Jahre alte als „Warthügel-Eiche“ bezeichnete Baumveteran verzeichnet, ebenso wie die „Johannroder-Eiche“. Beide Eichen stehen schon seit Jahren unter Naturschutz. Die „Ebigt-Eiche“ brannte schon vor Jahrzehnten nach einem Blitzschlag aus.

Epilog

Eine „teutsche“ Jagd im Forst Ziegelroda

Hitze liegt über den Dörfern. Träge gleiten flimmernde Gebilde über den aufgeheizten Boden dahin und mühsam fällt in der Tagesglut das Atmen. Doch das Wetter meinte es diesmal gut. Den ergiebigen Niederschlägen in den ersten Frühlingswochen folgten lang anhaltende Sonnentage, unterbrochen nur von einzelnen Regenschauern. So ist es nicht zu verwundern, daß das Getreide - im Gegensatz zu den vergangenen Jahren - besonders gut steht. Und in einigen Tagen beginnt die Ernte. Viel Arbeit wird anstehen für die Mahd; jede Hand nötig sein. 

Doch Aufruhr herrscht seit einigen Wochen in den landesfürstlichen Gemarkungen. Nicht die Ernte ist der eigentliche Urheber dieser Unruhe, sondern eine Anweisung vom Fürstenhof, welche alle Fronpflichtigen anhält, sich - mit Geräten und Verpflegung versehen - zum Sammelplatz zu begeben und ihre Jagddienste zur Verfügung zu stellen.  

Als am 8.August 1715 Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels im Forst Ziegelroda eintrifft, kann er mit den Vorbereitungen zu seiner Treibjagd vollauf zufrieden sein. Warum auch nicht? Waren doch über 250 Bauern mitten in der Getreiderente bemüht gewesen, den Wünschen ihres Herzogs nachzukommen. Auch Prinz Adelbert von Preußen jagte mit großer Vorliebe in der Ziegelrodaer Gegend. Das 1728 erbaute, recht klobig wirkende „Prinzenhäuschen“ steht heute noch im Revier Wangen im südlichen Teil des Forstes.

Deutschland zu Beginn des 18.Jahrhunderts. Das „ teutsche oder eingestellte Jagen“ erfreute sich zu jener Zeit immer größerer Beliebtheit bei den feudalen Jagdherren und fand als beliebte höfische Jagdform immer mehr Ausbreitung. Diese Art der Jagd auf Rot-, Dam- und Rehwild und auch wilde Sauen mittels bewachter Stellnetze, in denen das Wild in Massen eingekesselt und anschließend von den Jagdgästen niedergemacht wurde, kannte man jedoch schon im alten Ägypten und Persien. 

Diese „ Schieß-Jagden“, jagdlicher Höhepunkt an den Fürstenhöfen, fanden vorwiegend zur Feistzeit der Hirsche statt, also in den Monaten August/September, wenn die Hirsche noch feist - durch die Brunft nicht abgemagert - und die Bauern mitten in der Ernte waren.

Wurde der landesfürstliche Befehl zur Abhaltung eines Hauptjagens nach „ teutscher“ Art erlassen, herrschte wochenlange Aufregung in den betroffenen Landesteilen. Die zuständigen Schösser und Amtmänner wurden angewiesen, die Fronpflichtigen zum Jagddienst aufzubieten. Aus allen betroffenen Ämtern wurden die Bauern, welche nur widerspenstig Haus und Hof verließen, zusammengeholt. Selten ging es sicherlich ohne Schläge und Püffe ab, wenn sich ein Bauer zu langsam und halsstarrig anstellt. Neben den Fronpflichtigen standen noch Förster, Jäger und Jagdburschen zur Verfügung - insgesamt ein riesiges Aufgebot zur Vorbereitung eines großen Hauptjagens. Einem Bericht zufolge standen für eine große Hofjagd des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen im Jahre 1730 mehr als 600 Forstbeamte sowie über 4000 Treiber zur Verfügung. Mit 90 Wagen, mit je 4-6 Pferden bespannt, wurde das Netzmaterial (Netze und Tücher), mit dem eine Strecke von über 110 km Wald und Flur umstellt werden konnte, ständig umgesetzt.  

War das Wild nun über mehrere Tage hinweg auf verhältnismäßig engem Raum - den sogenannten „ Kammern“ -  zusammengetrieben, wurde es mit festen Netzen umstellt und Tag und Nacht von den zugewiesenen Jägern und Bauern bewacht. Schwere Arbeit war mit dem Anfahren, Abladen und Aufstellen des Zeugs verbunden und nicht selten gab es dabei wunde und zerschundene Hände , ja sogar abgerissene Finger. Es mag auch mancher Fluch in den herrschaftlichen Waldungen erklungen sein, wenn ein erzürnter Bauer seinem Ärger freie Luft verschaffte.

War nun der genaue Tag des Jagdzeremoniells vom Landesherrn bestimmt, wurde in der Morgenfrühe das Wild in die sogenannten Kammern getrieben, den letzten, mit hohen Netzen umstellten Sammelplatz, welcher nur noch durch einige Tüchern  vom „Lauf“ verdeckt wurde. In der Mitte  oder seitwärts desselben befand sich der Leibschirm der hohen Herrschaften - ein offener hölzerner, bunt angestrichener und mit Girlanden geschmückter Pavillon. Einem kleinen Heereszug gleich kam nun die Jagdgesellschaft, bestehend aus den vornehmen Damen und Herren sowie geladenen Gästen, unter Jagdmusik in ihren Kutschen bis zum Schirm gefahren. Der kölnische Kurfürst Ferdinand brachte es in diesem Zusammenhang vor dem dreißigjährigen Krieg auf stattliche dreihundertfünfundvierzig Personen und zweihundertdreiunddreißig Pferde. Nach einem ausgiebigen Frühstück fand man sich am Schirm zum Schießen bereit. Auf ein Zeichen des Jagdmeisters wurden Jagdsignale geblasen, Pauken und Trommeln geschlagen, Quertücher aufgezogen.  

Das erste Wild kommt, von Jagdhunden gehetzt, am Schirm vorbeigeflüchtet. Die Büchsen krachen, „der Laufplatz füllt sich mit flüchtendem Wild, ratlos fährt es hin und wider, wilde Angst in den Lichtern. Manch ein Geweihter liegt und färbt den Rasen rot, um ihn stürzen Tiere und Kälber, ... dort schleppt ein Hirsch, durchs Kreuz geschossen, sich auf den Vorderläufen fort, hier ein anderer hat den Hunden sich gestellt und kämpft, während der rote Schweiß ihm aus dem Windfang träufelt“. (Wendt)  

Auf einen Wink des Fürsten hin, wurde im Anschluß an das erfolgte Gemetzel dem verwundeten Wild von den Jägerburschen der Fang gegeben und die Strecke gelegt. Die Jagd war zu Ende - das große Halali wurde geblasen und der Fürst erhielt vom Oberjägermeister den Bruch überreicht. Zum Ausklang begab sich die Gesellschaft nun in angeheiterter Stimmung zum Jagdbankett, welches meist in einem großen Zelt oder im Jagdschloß stattfand.  

Bestürzend sind die Streckenberichte solcher Hauptjagen. So sollen im Jahre 1748 in Leonberg/ Württemberg über 500 Stück Wild gestreckt worden sein und bei einem Hauptjagen während der Geburtstagsfeier  des Königs Friedrich von Württemberg (1812) eine Strecke von 823 Stück Wild, darunter 116 Hirsche. Zur letzten Königlichen Hofjagd im Grunewald (nördlich von Berlin) am 16.12.1901  wurden innerhalb kürzester Zeit 739 Stück Damwild geschossen, von welchen der deutsche Kaiser Wilhelm der II. 39 starke Schaufler selbst erlegte. Nach der Auflösung des Hofjagdreviers Grunewald wurde 1902 die letzte Parforcejagd vor den Toren Berlins geritten.

 

War die Jagdgesellschaft schon längst abgereist, ging für das Jagdpersonal, die Fronbauern und anderen Bediensteten die Arbeit noch tagelang weiter. Die riesigen Wildbretmengen mußten verarbeitet und, in teilweise frischem Zustand, teilweise in Fässer eingepökelt auf Wagen verladen und in die Residenz oder an den jeweiligen Aufenthaltsort des Landesherrn gefahren werden. So kamen die spanndienstpflichtigen Bauern, denen diese Aufgabe zufiel, noch immer nicht nach Hause und die Ernte mußte noch längere Zeit verschoben bleiben.

Lautersburg - Schatten einer vergangenen Zeit

Verwachsene Gräben und Hügel. Eichen, Buchen und das Laub aus dem letzten Jahr. Hier und da ein Stein vom alten Mauerwerk. Kaum noch zu erkennen. Überwucherte Wälle, bewachsene Hohlwege. Und der Name. Die Lautersburg. Ruhm ist vergänglich. In gleicher Weise die zahllosen Burgen, Festungen, Klöster. Wie eben auch die Lautersburg.

Auf alten Flurkarten sind die Obere und Untere Lautersburg noch verzeichnet. Doch seit der Umbenennung der alten Flächen Ende des 19.Jahrhunderts stehen die Nummern 110, 111 und 116 für die Untere Lautersburg auf den Forstkarten. Nun zugegeben – in der Gegend ist die ehemalige Herrenburg sicherlich bekannt. Und seien wir doch mal ehrlich. „Obere Lautersburg“ klingt doch auch besser als die trockenen Bezirksnummern 112 und 113. Viel aufregender für die heimlichen Romantiker unter uns und viel aussagefähiger für die Historiker.

Für die Wander- und Naturfreunde hingegen, die im Frühjahr von Lodersleben ins Märzenbechertal strömen, wird die wüste Stätte der alten Benediktinerabtei nur einen kurzen Zwischenstop darstellen. Doch lohnt der Ausflug entlang der Querne in die schattigen Eichenbestände zu jeder Jahreszeit. Erst recht, wenn die Blätter sich einfärben und Wolkenfetzen am Himmel entlang jagen. Die Querne, ehemaliger Wasserversorger der Burg, windet und krümmt sich entlang Sandberg und Gehrenhängen auf der einen und den Hängen mit der Lautersburg auf der anderen Seite durch das Tal.

Bereits 1754 schreibt Dietmann in seiner Kursächsischen Priesterschaft: „Man siehet nichts mehr davon als etliche ziemlich verfallene Gräben, in und um welche herum die größten und dichtesten Eichenbäume stehen. Die Aussicht ist fürtrefflich. Gleich dabei ist der Saugarten, wo der hochselige Herzog Johann Adolf zu Weißenfels sich mit der wilden Schweinejagd zu erlustigen pflegte.“ 

Gegründet von Ludolf, einem vermutlichen Urahnen der Querfurter Edelherren, ändert die Burg immer wieder den Namen und kommt von der Lutis- über die Luders- zur Lautersburg. Im 11.Jahrhundert wird die Lutisburg zwar bereits urkundlich erwähnt, doch ist die Blütezeit der Festung kurz. Denn schon in der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts wird die Anlage endgültig aufgegeben. „Rex de Lutisleve“ – der König von Lodersleben Wilhelm von Lutisburg ist um 1085 Herr auf der Festung im Wald. Im Besitz weiter Ländereien und mit Edelsitz im nahen Lodersleben, gibt der prunkliebende Edelmann zahlreiche Empfänge und Partys. Die Festungsanlage wird zur Südseite hin durch einen tiefen Wallgraben abgesichert. Auf den restlichen Seiten schützen steile Böschungen gegen etwaige Angreifer. Die hohen Umfassungsmauern sind trotz des Niedergangs noch Jahrhunderte später deutlich zu erkennen. Der Burghof befindet sich im unteren Teil der Anlage. Der Graf aus dem Geschlecht der Edlen von Querfurt segnet das Zeitliche und seinen Nachkommen übernehmen das Erbe.

Kurz vor der Jahrhundertwende 1100 bilden die Kreuzfahrer unter Gottfried von Bouillon das Königreich Jerusalem. Dietrich und die edelmütige Mechthild von Lutisburg erben nicht nur die Festungsanlage, sondern sind desgleichen gottesfürchtig, fromme Zeitgenossen und tauschen 1120 die Burgbesatzung gegen Benediktinermönche aus. Säbelrasseln gegen fromme Gebete. Die Abtei wird der heiligen Jungfrau Maria und dem Querfurter Märtyrer Bruno gewidmet. In den folgenden Jahren – „Ora et labora – Bete und arbeite“ – werden die Emporen gebaut, Betsäle eingerichtet und Säulentrommeln zurecht gemeißelt. Doch die Brüder des um 529 vom Benedikt von Nursia gegründeten Ordens werden in ihrer Arbeit nicht nur durch das Gebet unterbrochen, sondern auch durch Räuberbanden gestört. Diese statten dem Stift nicht in frommer Absicht einen Besuch ab.

Doch nach zwanzig Jahren sind die Umbauarbeiten am Stift immer noch nicht abgeschlossen. Zudem werden die Überfälle der Banditen, die in den dichten Wäldern genügend Schutz finden, immer dreister. Der Burggraf Burchhard von Querfurt erhält daraufhin die Anlage nebst Schirmvogteirechte von seinen genervten Verwandten. Doch auch Burchhardt ärgert sich nicht lange mit der Lutisburger Abtei herum und verlegt diese 1146 (in Frankreich ruft Bernhard von Clairvaux gerade zum zweiten Kreuzzug auf). 

Das neue Domizil, den Mönchen auch weitaus angenehmer, wird nach Eilswardesdorf zwischen Lodersleben und Querfurt gelegt. Die neue Abtei wird noch schnell in „cella Mariae“ umbenannt, und bald überlassen auch die letzten Bediensteten Burg und Kloster Lutisburg der Natur. Diese dringt auch rasch in Burghof und Betsäle vor und bereits 1157 berichtet Bischof Ulrich von Halberstadt betrübt vom Zerfall der Anlage. Der Zahn der Zeit nagt hier schnell.

Verteidigungswälle, Wasser- und Ringgraben werden durch mächtige Eichen erobert. Die Mauern werden selbst noch im letzten Jahrhundert abgetragen und zur Ausbesserung der Wege benutzt. Nun, auch die eingefahrenen Spuren früherer Kutschen überwuchern. Breite Wanderwege, famos beschildert und mit zahlreichen neuen Rastmöglichkeiten laden heute zum mittelalterlichen Ausflug in den Ziegelrodaer Forst ein. Von Lodersleben bachaufwärts bis zur Quernequelle. Zum Sandborn hin, der kleinen bewachsenen Grotte, in der die Ganoven und wilden Männer hausten zu ihrer Zeit und den Mönchen und Pilgern auflauerten.

SCHLUSS